Klares „jein“! Wie das Urteil des LG Frankfurt am Main zu bewerten ist…
Dieser Artikel ist die Vorgeschichte zu einer Reihe von Klagen, die vor dem BGH ausgetragen wurden. Die Urteile, das Ergebnis, die Auswertung sowie die Bedeutung für dich findest Du im ausführlichen Artikel inklusive Fakten-Check zu den BAP-Klagen aufgrund der BGH-Urteile. Achtung, viel Input, daher ca. 10 Minuten Lesedauer.
Gegen die Beitragsanpassung (BAP) der Barmenia wurde geklagt!
Ein Versicherungsnehmer (VN) der Barmenia PKV wollte die BAP nicht länger hinnehmen und suchte „Gründe“ zum Klagen, da er gerne die BAP seit 2010 samt Zinsen zurück wollte. Bei der AXA hatte das doch auch geklappt, mehr oder minder. So zog er vor das LG Frankfurt (16.04.2020, Az 2-23 O 198/19; Urteil noch nicht öffentlich, wir haben aber Bild-Auszüge bereit gestellt) und…
Kunde 44% vs Barmenia 56%
…erlitt eine Schlappe! Die Quotelung am Anfang des Urteils gibt einen Aufschluss darüber, wie die Richter den Sachverhalt bewerten, denn die Kosten werden nach Schuldverteilung gem. §92 ZPO „Kosten bei teilweisem Obsiegen“ gesplittet, wobei eine eine Klagerücknahme nach §269 ZPO wie nichtexistent gewertet wird. Wenn jetzt noch berücksichtigt wird, dass die Quoten fast immer nachverhandelt werden, sieht es noch schlechter für den Kläger aus. Ob es vorher 60/40 oder 70/30 stand ist dabei egal. Im Ergebnis ist fest zu halten, dass der Kläger mehrheitlich nicht im Recht war. Die Klage wurde abgewiesen.
Der Vertrag der Tochter war korrekt
Nebst dem eigenen Vertrag war auch jener seiner Tochter Gegenstand der Verhandlung. Zumindest bis die Barmenia durch Nennung der auslösenden Faktoren im Prozess die formelle Unwirksamkeit geheilt hat. Nähere Umstände sind dem Urteil nicht zu entnehmen. Daher die Mutmaßung, dass dieser Punkt schnell beigelegt wurde, weil bei Kindertarifen keine Alterungsrückstellungen eingepreist sind. In der Folge kann man vereinfacht sagen, dass die u. g. Formel gilt:
Einnahmen – Ausgaben = Überschuss bzw. Verlust
Bei Kindertarifen sind weniger komplizierte Berechnungen nötig. Ich vermute (!) deshalb, dass durch Konkretisierung der beiden auslösenden Faktoren (AF) – Schaden bzw. Sterblichkeit und Zins (z.B. in Form Leistungsbarwerten) – eine Heilung eingesetzt hat und hier kein Angriffspunkt mehr gegeben war, weshalb der Kläger diesen Klageteil zw. Kostenminimierung zurückgezogen hat.
Materiell begründet aber juristisch Formfehlerhaft
Analog dem Prozess bzgl. des BAP-Problems bei der AXA wurde auch hier der Versuch unternommen aufgrund von Formfehlern die Realität zu verbiegen. Der Anpassungsbedarf ist gegeben, denn die Prämien decken nicht die Ausgaben. Aufgrund von Formfehlern versucht man aber einen anderen Sündenbock für die Zeche zu finden. In dem Fall die Versicherung, deren Leistungen man gerne langfristig finanzierbar hätte. So wandte die Barmenia nach meinem Verständnis berechtigt ein:
„Im Übrigen dürfe eine materiell richtige Beitragsanpassung nicht allzu leicht für unwirksam erklärt werden, denn eine auch nur vorübergehende Äquivalenzstörung sei im Interesse der Beitragsstabilität zu verneinen“
Erstattungshöhe, Verjährung & Kenntnis
Was hat der Kläger gewonnen? Vermutlich weniger als er nach den ganzen Anwaltskosten, Gerichtskosten sowie vor gerichtlichen Kosten – die ihm nicht zugebilligt wurden – gezahlt hat. Der Kläger wollte seine Beiträge ab 2010 (vermutlich Eintritt in den Tarif) samt Zinsen erstattet haben. Das Gericht erteile ihm mehrere Schlappen.
Ein Großteil der Ansprüche sei verjährt, was im vorliegenden Fall alles bis inklusive 2015 umfasst. Daraus lässt sich aber nichts pauschal ableiten. Jeder Einzelfall muss gesondert betrachtet werden!
Viele der Ansprüche sind verjährt, weil der Kläger Kenntnis von der Erhöhung hatte, da ihm im November des Vorjahres die folgende BAP mitgeteilt wurde. Ein etwaiger Streit über die korrekte Zustellung wurde – als im Stillschweigen einvernehmlich betrachtet – nicht weiter vor Gericht ausgeführt.
Dass der VN die richtigen Schlüsse zieht, muss nicht durch die Versicherung sichergestellt werden, da sie fehlerbehaftete Vorstellungen nie ausschließen kann. Daher kann nur ausnahmsweise eine Hemmung der Verjährung aufgrund von Rechtsunkenntnis gelten. Notfalls müsse man auf die Hilfe fachkundiger Dritter zugreifen. Erst wenn diese „keinen Durchblick“ hätten, wäre die Hemmung denkbar.
Wichtig ist anzumerken, dass es noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung für die Begründungsanforderung an eine BAP gibt. Deshalb sind die anderen Verfahren auch noch offen.
Was bedeutet das für den Verbraucher?
Ein Anwalt wird zur Klage aufrufen, denn er hat nichts zu verlieren! So tut es auch jene Kanzlei aus Köln, die diesen Prozess bestritten hat.
An dem Erfolg einer Klage habe ich schwere Zweifel. Nicht nur, dass der hiesige Kläger mehrheitlich vor die Wand gefahren ist und eine BGH-Entscheidung noch aussteht, so bleibt die Frage was es bringen soll? Irgendwer muss die Zeche für die Beiträge bezahlen, das werden am Ende immer die Versicherten sein. Nur weil durch die Klage eine Versicherung zeitweise aus Eigenmitteln den Differenzbetrag auffüllen muss, ist damit das langfristige Problem der BAP nicht gelöst oder finanziert. Aber ein Haufen Unkosten sowie Unwägbarkeiten kommt hinzu. Meine Meinung:
So lange der Sachgrund korrekt ist, also ein erhöhter Finanzierungsbedarf gegeben ist sowie nach Treu und Glauben billig ist, darf ein Formfehler nicht für juristische Verzerrungen genutzt werden!
Keiner von uns hat Lust wegen Formfehlern bestraft zu werden obwohl er in der Sache Recht hat, denn das nennt man Schikane. Und wer jetzt des vermeintlich eigenen finanziellen Vorteils wegen eine Klage anstrebt, amerikanisiert unser Rechtssystem auf Kosten Dritter weiter. Aber wer anderen eine Grube gräbt…
Mal Hand aufs Herz: Keiner will zu viel für Versicherungen zahlen, nicht wahr? Aber wie würden Sie reagieren, wenn Ihre Prämie steigt, weil ein anderer nicht sachdienliche Formfehler einklagt? Ist es gerecht eine Verkäuferin wegen des Verspeisen eines überschüssigen Käsebrötchens zu kündigen? Wäre ein Knebelvertrag gerecht, nur weil dieser keine Formfehler beinhaltet? Eben!
Beratung zur PKV gewünscht?
Und nun? Vielleicht lässt sich etwas machen. Vielleicht passt ein interner Tarifwechsel nach §204 VVG innerhalb der gleichen Versicherung? Oder vielleicht bietet eine anderen Krankenversicherung wie eine Allianz, DKV, Debeka oÄ eine bessere Lösung? Fragen Sie uns, wir beraten Sie gerne!
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