Beitragsentwicklung GKV
Die jährliche Beitragsanpassung des Höchstbeitrags der GKV erfolgt auf zwei Arten:
- Gesetzliche Erhöhung der Bemessungsgrundlage
- Kassenindividuelle Änderungen des Zusatz-/Beitrags
Dabei ist der Höchstbeitrag der jährlich steigenden Beitragsbemessungsgrenze[1] gedeckelt.
Für die soziale Pflegeversicherung gelten analoge Regeln.[2]
Die Beitragspflichtigen Einnahmen[3] werden einem Beitragssatz[4] unterworfen. Streitbar sind die Einnahmen der sogenannten freiwilligen Mitglieder,[5] was oft Selbstständige oder gut verdienen Angestellte sind. Pauschal lässt sich sagen, dass bei diesen ALLE Einkünfte zu verbeitragen sind, selbst bereits (pauschal-)versteuerte wie z. B. Kapitalerträge. Der GKV-Spitzenverband aktualisiert dafür regelmäßig ein Grundsatzpapier, zur einheitlichen Beurteilung.[6] Aufgrund der Komplexität sind Rechtsstreitigkeiten aber keine Seltenheit.
Historische Beiträge der GKV
Die GKV wurde deutlich teurer, sowohl absolut in Eurocent als auch relativ zur Inflation.
Jahr | max. GKV | davon max. KV | davon max. SPV | BBG | JAEG |
2020 | 890,63 € | 735,94 € | 154,69 € | 4.687,50 € | 5.212,50 € |
2010 | 641,25 € | 558,75 € | 82,50 € | 3.750,00 € | 4.162,50 € |
2000 | 504,57 € | 448,50 € | 56,06 € | 3.297,83 € | 3.297,83 € |
1990 | 301,98 € | 301,98 € | – € | 2.415,85 € | 2.415,85 € |
1980 | 183,60 € | 183,60 € | – € | 1.610,57 € | 1.610,57 € |
1970 | 50,31 € | 50,31 € | – € | 613,55 € | 613,55 € |
Grafisch stellt sich die Beitragsentwicklung unter Beachtung der BBG sowie JAEG wie unten dar.[7]
Grafik 44 – Entwicklung Höchstbeitrag GKV inkl. PVN für Kinderlose sowie durchschnittlichem Zusatzbeitrag
Hinweis: Die GKV-Beiträge 2020 wurden mit dem allgemeinen Beitragssatz von 14,6 % und einem unterstellten Zusatzbeitragssatz von 1,1 % sowie einem Pflegebeitragssatz von 3,3 % für Kinderlose berechnet. Der Einbezug der 1995 neugeschaffenen Pflegeversicherung wurde berücksichtigt.
Binnen 41 Jahren ist der Höchstbeitrag der Kasse von 184€/Monat auf 891€/Monat inklusive Pflegepflichtversicherung gestiegen. Das entspricht einer Steigerung von ca. 484% über 41 Jahre, was ca. 4% Beitragssteigerung pro Jahr entspricht.
Nicht berücksichtigt ist, dass in den Vergangenen Jahrzehnten massive Leistungskürzungen vorkamen, die eine indirekte Beitragssteigerung darstellen, denn Sie erhalten für den gleichen Beitrag weniger Leistung. So wurden beispielsweise die Zahnzuschüsse 1989 auf 50% halbiert und Zuzahlungen eingeführt. 1997 wurde der Zahnzuschuss durch einen noch niedrigeren Festzuschuss gesenkt. 1998 wurde das Krankengeld auf 70% gesenkt. 2004 sind ambulante Fahrkosten und Brillen gestrichen worden während gleichzeitig der Zusatzbeitrag eingeführt wurde.[8]
Das liegt daran, dass die Krankenkassen den Beitrag nicht endlos hochschrauben wollen, jedoch auch weder Schulden machen noch Darlehen aufnehmen dürfen.[9]
Hinzu kommt, dass die gesetzlichen Krankenkassen einen massiven steuerlichen Zuschuss erhalten, denn sie finanzieren sich nebst Beiträgen aus dem sog. Bundeszuschuss.[10] Dieser wird vom BMG ohne einschränkende Hinweise als Finanzierungsbestandteil ausgewiesen.[11] Dieser steigt seit Jahren, da die Finanzierung nicht gesichert ist.[12] So hatten die AOK im Jahr 2021 ein Defizit von 4,1 Milliarden Euro.[13] Bis 2025 fehlen ca. 144 Milliarden Euro, bis 2030 geht man von 517 Milliarden Euro aus, wenn die Beiträge nicht steigen sollen. Daher unterstützt der PKV-Verband, jedoch nicht uneigennützig, Maßnahmen zur Kostensenkung, bspw. durch Reduktion der Mehrwertsteuer auf bestimmte Medikamente oÄ Maßnahmen.[14]
Würde der Bundeszuschuss noch rausgerechnet, wäre die Steigerung noch höher ausgefallen. Versuche zur Senkung oder Abschaffung des Bundeszuschusses scheiterten, so dass der Bundeszuschuss mittlerweile bei 14,5 Milliarden Euro pro Jahr liegt.[15]
Die politische Unterstützung geht so weit, dass auch vor Wettbewerbsverzerrungen kein Halt gemacht wird. So wurde das GKV-Stabilisierungsgesetz während des Ukraine-Kriegs und der Energie-Krise ausgesetzt, damit die GKV die Versicherten nicht über die steigenden Beiträge informieren muss,[16] sondern einfach mehr abbuchen kann.
Auch findet ein unerlaubter Wettbewerb der GKV mit kooperierenden PKV statt, wo sog. gute Risiken (also Gesunde) aus der Solidargemeinschaft mit entsprechenden Zusatz-Krankenversicherungen oder gar in die PKV überführt werden, weil die GKV die Provision zur Finanzierung nutzt.[17]
Um die Finanzierung des Systems steht es schlecht, egal ob man die Kennzahlen[18] oder die Finanzergebnisse der Kassen[19] betrachtet. Die Entwicklung der Leistungsfälle lassen eine düstere Prognose erwarten.[20]
Werden die Kennzahlen des GKV-Spitzenverbandes für Leistungsausgaben der letzten fünf Jahre verglichen, findet sich ein deutlicher Kostenanstieg, der auch über der normalen Inflation liegt. Schaut man hingegen den Beitrag sowie den Bundeszuschuss an, sind diese nahezu konstant geblieben.[21] Die Rückschlüsse sind ernüchternd, denn nebst weiteren Leistungskürzungen werden massive Anpassung folgen müssen. Die zunehmende Digitalisierung, welche konventionelle Arbeitsleistung verdrängt, kann sowohl zu Mehrkosten als auch zu Kostensenkungen führen.
Sie sollten sich in beiden Systemen auf erhöhte Beiträge einstellen.
Wie reagieren die Systeme auf Gesundheitskostensteigerungen?
Durch mehr Einnahmen. Oder – insofern erlaubt – durch Leistungskürzungen. Dabei ist die ständige Kritik an den BAP der PKV einseitig, wenn man beide Systeme vergleicht.
Gesetzliche Kasse | Private Krankenversicherung |
Einkommenssteigerung
Steigerung der BBG Erhöhung Zusatzbeitrag Erhöhte Steuerzuschüsse |
Beitragsanpassung (BAP) |
Leistungskürzung | Leistungskürzung idR unmöglich |
Anzahl und Trend bei der GKV
Es sind bedeutend mehr Krankenkassen als PKV vom deutschen Marktverschwunden, sowohl absolut als auch relativ. Es sind ca. 5% der ursprünglichen Krankenkassen übrig, bei ca. 2000 beginnend. Der Trend verlangsamt sich, deutet jedoch auf weiterhin gen Marktkonsolidierung.
Grafik 45 – GKV-Spitzenverband – Anzahl der Krankenkassen[22]
Mitte 2023 waren es nur noch 96 gesetzliche Krankenkassen, wobei die Anzahl weiter sinken sollt. Zur Sensibilisierung der Kosten sollen Patienten künftig über die verursachten Kosten aufgeklärt werden.[23]
Was ist der Unterschied zwischen BBG oder JAEG?
Hier kommt oft Verwirrung auf, denn es gibt folgende Grenzen:
- Beitragsbemessungsgrenze (kurz BBG)
- Besondere Jahresarbeitsentgeltgrenze (kurz bJAEG)
- Jahresarbeitsentgeltgrenze (kurz JAEG oder aJAEG)
In der Praxis werden nur JAEG sowie BBG unterschieden, obgleich es eine Unschärfe ist. Das liegt u. a. daran, dass die BBG gleich der bJAEG ist. Sie müssen also nur zwei Grenzen betrachten:
- Die BBG ist (noch) die niedrigere Grenze, welche die Bemessungsgrundlage für den Beitrag der Kasse deckelt.
- Die JAEG ist die (noch) höhere Grenze, welche den Übergang zur freiwilligen Versicherung und damit das Eintrittstor zur PKV für Angestellte darstellt.
Für PKV-Versicherte, die Transferleistungen beantragen, kann eine Sonderregel greifen.
Entwicklung der BBG der GKV
Historisch gab es in 60 Jahren von 1960 bis heute nur eine Nullrunde sowie eine Senkung der BBG, jedoch 58 Erhöhungen. Die BBG-Entwicklung können Sie in der Tabelle ablesen.
Jahr | Monat | Jahr | % | Jahr | Monat | Jahr | % |
1960 | 637,50 DM | 7.650 DM | 0,00% | 1991 | 4.875,00 DM | 58.500 DM | + 3,17 % |
1961 | 675,00 DM | 8.100 DM | + 5,88 % | 1992 | 5.100,00 DM | 61.200 DM | + 4,62 % |
1962 | 712,50 DM | 8.550 DM | + 5,56 % | 1993 | 5.400,00 DM | 64.800 DM | + 5,88 % |
1963 | 750,00 DM | 9.000 DM | + 5,26 % | 1994 | 5.700,00 DM | 68.400 DM | + 5,56 % |
1964 | 825,00 DM | 9.900 DM | +10,00 % | 1995 | 5.850,00 DM | 70.200 DM | + 2,63 % |
1965 | 900,00 DM | 10.800 DM | + 9,09 % | 1996 | 6.000,00 DM | 72.000 DM | + 2,56 % |
1966 | 975,00 DM | 11.700 DM | + 8,33 % | 1997 | 6.150,00 DM | 73.800 DM | + 2,50 % |
1967 | 1.050,00 DM | 12.600 DM | + 7,69 % | 1998 | 6.300,00 DM | 75.600 DM | + 2,44 % |
1968 | 1.200,00 DM | 14.400 DM | +14,29 % | 1999 | 6.375,00 DM | 76.500 DM | + 1,19 % |
1969 | 1.275,00 DM | 15.300 DM | + 6,25 % | 2000 | 6.450,00 DM | 77.400 DM | + 1,18 % |
1970 | 1.350,00 DM | 16.200 DM | + 5,88 % | 2001 | 6.525,00 DM | 78.300 DM | + 1,16 % |
1971 | 1.425,00 DM | 17.100 DM | + 5,56 % | 2002 | 3.375 € | 40.500 € | + 1,38 % |
1972 | 1.575,00 DM | 18.900 DM | +10,53 % | 2003 | 3.450 € | 41.400 € | + 2,22 % |
1973 | 1.725,00 DM | 20.700 DM | + 9,52 % | 2004 | 3.487,50 € | 41.850 € | + 1,07 % |
1974 | 1.875,00 DM | 22.500 DM | + 8,70 % | 2005 | 3.525 € | 42.300 € | + 1,09 % |
1975 | 2.100,00 DM | 25.200 DM | +12,00 % | 2006 | 3.562,50 € | 42.750 € | + 1,05 % |
1976 | 2.325,00 DM | 27.900 DM | +10,71 % | 2007 | 3.562,50 € | 42.750 € | + 0,00 % |
1977 | 2.550,00 DM | 30.600 DM | + 9,68 % | 2008 | 3.600 € | 43.200 € | + 1,07 % |
1978 | 2.775,00 DM | 33.300 DM | + 8,82 % | 2009 | 3.675 € | 44.100 € | + 2,08 % |
1979 | 3.000,00 DM | 36.000 DM | + 8,11 % | 2010 | 3.750 € | 45.000 € | + 2,04 % |
1980 | 3.150,00 DM | 37.800 DM | + 5,00 % | 2011 | 3.712,50 € | 44.550 € | − 1,00 % |
1981 | 3.300,00 DM | 39.600 DM | + 4,76 % | 2012 | 3.825 € | 45.900 € | + 3,03 % |
1982 | 3.525,00 DM | 42.300 DM | + 6,82 % | 2013 | 3.937,50 € | 47.250 € | + 2,94 % |
1983 | 3.750,00 DM | 45.000 DM | + 6,38 % | 2014 | 4.050 € | 48.600 € | + 2,86 % |
1984 | 3.900,00 DM | 46.800 DM | + 4,00 % | 2015 | 4.125 € | 49.500 € | + 1,85 % |
1985 | 4.050,00 DM | 48.600 DM | + 3,85 % | 2016 | 4.237,50 € | 50.850 € | + 2,73 % |
1986 | 4.200,00 DM | 50.400 DM | + 3,70 % | 2017 | 4.350 € | 52.200 € | + 2,65 % |
1987 | 4.275,00 DM | 51.300 DM | + 1,79 % | 2018 | 4.425 € | 53.100 € | + 1,72 % |
1988 | 4.500,00 DM | 54.000 DM | + 5,26 % | 2019 | 4.537,50 € | 54.450 € | + 2,54 % |
1989 | 4.575,00 DM | 54.900 DM | + 1,67 % | 2020 | 4.687,50 € | 56.250 € | + 3,30 % |
1990 | 4.725,00 DM | 56.700 DM | + 3,28 % | 2021 | 4.837,50€ | 58.050€ | +3,20% |
Die Steigerung der BBG betrug historisch 319%, was ca. 2,05% pro Jahr ausmacht. Hinzu kommt die Änderung des Beitragssatzes sowie der Zusatzbeitrag und die Leistungskürzungen.
Hochrechnung des GKV-Beitrags
Der Beitrag für die gesetzliche Krankenkasse steigt kontinuierlich. Je nachdem welche Steigerungsrate man zu Grunde legt, ergeben sich unterschiedliche Höchstbeiträge, die in der Zukunft verlangt werden.
Folgende Parameter wurden in der Hochrechnung mit der Formel Kn = K0 * ( 1 + p / 100 ) ^ n verwendet:
Kn | K0 | p / 100 (= i) | n |
Endbeitrag | Startbeitrag | Zinssatz | Anzahl der Jahre |
Für den Zinssatz i bzw. p/100 wurden verschiedene Werte verwendet, die aus Vereinfachungsründen – trotz Laufzeitinkongruenzen – aufaddiert wurden.
KV + PV(max.) | Ø Kassensatz[25]
(1970-2019) |
ØBBG
(1963-2020) |
Ø Inflation[26]
(1950-2020) |
Ø Beitrag KV
(Kassensatz + BBG) |
891€ | 1,33% | 2,05% | 2,50% | 3,38% |
Bitte beachten Sie, dass alle Beiträge ohne Inflation dargestellt sind, d. h. eine Umrechnung auf heutige Kaufkraft müsste separat erfolgen: Kn = K0 * ( 1 + pInf / 100 ) ^ (-n)
Daraus ergibt sich für den Beitragsverlauf für den Höchstbeitrag der gesetzlichen Krankenkasse:
Grafik 46 – Hochrechnung des Höchstbeitrags der gesetzlichen Krankenkasse für 30 Jahre
Die Inflation der letzten 20 Jahre war deutlich niedriger als bis zur Jahrtausendwende, weil die Wirtschaftsleistung – gemessen am BIP – niedriger war.[27] Selbst unter der Annahme der bisherigen Entwicklung, ist die Hochrechnung als optimistisch zu bezeichnen. Die reale Beitragsentwicklung der GKV wird – trotz Steuerzuschüssen – noch dramatischer sein. Versicherungsmathematiker gehen davon aus, dass zur o. g. Beitragsentwicklung nach heutigem Stand, ein Anstieg des Beitragssatzes der GKV auf bis zu 25% realistisch ist.[28]
Die nachfolgende Grafik veranschaulicht verschiedene Szenarien.
Grafik 47 – Beitragssatzentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung – Aktuar Aktuell Nr. 43 S. 4
Die Prognosen für die Beitragssätze der SPV und der PVN sind ähnlich aber noch düsterer.
Grafik 48 – Beitragssatzentwicklung der sozialen Pflegeversicherung – Aktuar Aktuell Nr. 43 S. 4
Grafik 49 – Inflationsbereinigte Entwicklung der Durchschnittsbeiträge der PVN – Aktuar Aktuell Nr. 43 S. 4
Erkennbar ist, dass auch die private Pflegeversicherung von der Demografie abhängt und trotz Zins sowie Alterungsrückstellungen mit massiven Steigerungen zu rechnen hat. Eine Zinserhöhung ist sehr wahrscheinlich, wird aber nur zu weniger starken Steigerung führen.
Diese Trends sind eine Fortführung der historischen Steigerungen, die damals auch als undenkbar galten, weil sie eine Vervielfachung des Beitrags bedeuteten.[29] Mitunter wurden fleißig Reformen durchgeführt, die zu einem überkomplexen System mit immensen Verwaltungskosten geführt hat, wie Sie der nachfolgenden Grafik entnehmen können.
Historische Entwicklung der Gesetze mit Einfluss auf den GKV-Beitrag
Grafik 50 – Historische Entwicklung der GKV-Beitragssätze inkl. Hinweise der Gesetzgebung
Trotz zahlreicher Reformen und Steuerzuschuss wächst die jährliche Unterdeckung der GKV.