Arznei- und Verbandsmittel
Die meisten Tarife sehen eine sehr hohe Erstattung vor. Sie müssen entscheiden, ob Sie Vollkasko (100%) oder Teilkasko (<100%) absichern möchten. Die Empfehlung geht zu 100%, weil Sie sonst bei einer Krankheit ggf. empfindliche Zuzahlungen leisten müssen. Arzneimittel sind der größte Treiber der Hochkostenfälle der PKV, die dabei teilweise in die Millionen pro Kunde gehen. So kosten z. B. Krebsmedikamente an die 500.000€. Bluter-Medikamente kosten Millionen.[1] Bspw. kostet ein Medikament gegen spinale Muskelatrophie – eine Erbkrankheit, die bereits im Kindesalter auftreten könnte – ca. 2,2 Millionen Euro, wobei auch die alternativen Behandlungen Millionen kosten.[2] Dabei sind die Preise – und leider auch die durchschnittliche Qualität – bereits gesunken, weil die PKV in die Preisverhandlungen der GKV ein gezwungen wurde, was als Vorbereitung der Bürgerversicherung durch die Hintertür gilt.[3] Es ist eine Verfassungsbeschwerde anhängig, die den erzwungenen PKV-Preisabschlag in Frage stellt, da der Verweis auf §130a SGB V als unzulänglich angesehen wird.[4]
Einige Tarife machen die 100% Erstattung davon abhängig, ob Sie bestimmte Bezugsquellen benutzen, z. B. Partner-Apotheken oder Bezug über die Versicherung. Andere leisten nur 100% für ein Generikum, außer es liegt eine Unverträglichkeitsbescheinigung vor. Diese Einschränkungen erscheinen hinnehmbar. Nie geleistet wird für rezeptfreie Arzneimittel, die auf der OTC-Liste des G-BA stehen.[5] Umfang und Rechtmäßigkeit der Liste, von Ausschlüssen, Off-Label-Use und Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen sind seit jeher kontrovers diskutiert. Daran ändert auch die letzte große Studie nichts.[6]
Im Allgemeinen muss das Arzneimittel von einem schulmedizinischen Behandler verschrieben sein, von der Apotheke bezogen werden und wegen einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung erfolgen. So ist beispielsweise die Verschreibung von medizinischem Cannabis zur Bekämpfung einer Alkoholsucht („Saufdruck“ sic!) nicht versichert, wenn es andere schulmedizinische Behandlungen gibt, etwa eine Entzugsklinik, die zur Problemlösung beitragen können.[7] Wenn jedoch der Heilbehandler eine ausführliche Analyse erstellt, die Vor- und Nachteile abwägt, dann könnte in Ausnahmefällen auch der Bezug von Betäubungsmittel versichert sein. Die Krankenkasse dürfte in so einem Fall nur noch prüfen, ob die Zusammenhänge nicht völlig unplausibel sind. Dabei wäre der günstigste Bezug zu berücksichtigen.[8]
Zwar ist der Arzneimittelbegriff[9] sehr weit gefasst und die Musterbedingungen[10] – die keine eigene Definition vorgeben – haben eine vergleichsweise weite Formulierung, aber es gibt Lücken, u. a. durch konkrete Gesetzesausschlüsse. Der häufigste Fall sind medikamentenähnliche Nährmittel, bspw. hochkalorische oder niedrigkalorische Nahrung. Diese sind nur in Ausnahmefällen versichert, z.B. um Mukoviszidose vorzubeugen. Daraus entsteht ein Restrisiko, das vierstellige Kosten im Monat verursachen könnte, wenn der Patient künstliche Ernährung benötigt.[11] Viele dieser Mittel sind als sog. Nahrungsergänzungsmittel bei den Arzneimittelrichtlinien der GKV ausgeschlossen, die nicht einmal eine bedarfsbedingte Einzelfallprüfung vorsehen, wenn der Nutzen im Einzelfall belegt ist.[12] Ohne erweiternde Klauseln wird dieser Maßstab von der PKV ebenfalls zu Grunde gelegt.
ü | Mindestanforderung Arznei- & Verbandsmittel
Arznei- und Verbandsmittel ohne Zuzahlung versichern. Medikamentenähnliche Nährmittel (z. B. Sondennahrung etc.) versichern. |
+ | Optimum Arznei- & Verbandsmittel
Optimum entspricht dem Minimum. |
- 2020-04 DAV Aktuar Aktuell 49 S. 8 & 9 https://aktuar.de/politik-und-presse/aktuar-aktuell/Documents/Aktuar%20Aktuell%20Nr.49.pdf ↑
- 2021-12-07 wissensschau.de – Zolgensma – Gentherapie gegen spinale Muskelatrophie https://www.wissensschau.de/genom/gentherapie_zolgensma_spinale_muskelatrophie.php ↑
- 2013 ZVersWiss – 102 S. 84 – Schöpft die PKV den Rahm ab? Eine spieltheoretische Analyse der Effekte der PKV auf die Medikamentenqualität https://sci-hub.ru/10.1007/s12297-013-0227-5 ↑
- 2016 MedR 34 S. 242 – Offene Verfassungsfragen der Arzneimittelrabatte zugunsten der Privaten Krankenversicherung https://sci-hub.ru/10.1007/s00350-016-4241-1 ↑
- „ohne Datum“, Aufruf 2021-11-30 mit Stand 2021-10-12 Gemeinsamer Bundesausschuss – OTC-Übersicht der verordnungsfähigen, nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel https://www.g-ba.de/themen/arzneimittel/arzneimittel-richtlinie-anlagen/otc-uebersicht/ ↑
- 2017 MedR 35 S. 673 – Der Ausschluss von Arzneimitteln in der gesetzlichen Krankenversicherung. Zu Inhalt und Reichweite des § 34 SGB V. https://sci-hub.ru/10.1007/s00350-017-4701-2 ↑
- 2020-09-23 LSG Hessen – L 1 KR 429/20 https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/node/170930 ↑
- 2022-11-10 BSG – Az. B 1 KR 21/21 R https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/Verhandlungen/DE/2022/2022_11_10_B_01_KR_21_21_R.html ↑
- §2 AMG – Arzneimittelbegriff https://www.gesetze-im-internet.de/amg_1976/__2.html ↑
- 2022-01 §4 III MB/KK 2009 Umfang der Leistungspflicht https://www.pkv.de/fileadmin/user_upload/PKV/b_Wissen/PDF/2019-02_mb-kk-2009.pdf ↑
- „ohne Datum“, Aufruf 2020-09-18 CARENOBLE Gesellschaft für Gesundheitsökonomie mbH & Co KG – Arten der künstlichen Ernährung https://www.caresolution.de/parenterale-ernaehrung/arten-der-kuenstlichen-ernaehrung/ ↑
- 2022-01-03 LSG Niedersachsen – Nicht jede Pille ist eine Medizin https://landessozialgericht.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/pressemitteilungen/nicht-jede-pille-ist-medizin-207313.html ↑
GOÄ/GOZ – Wie funktioniert die Gebührenordnung?
GOÄ – Gebührenordnung für Ärzte
Alle schulmedizinischen Behandlungen, die in Deutschland abgerechnet werden sollen, müssen über die Gebührenordnung für Ärzte (kurz GOÄ)[1] erfolgen. Die dort festgeschriebenen Sätze kann der Behandler mit einem Faktor erhöhen. Dabei gibt es folgende Stufen:
Grafik – GOÄ Pyramide
Bei privatärztlicher Behandlung darf der Mediziner die Rechnung mit einem Multiplikator von 1,0x bis 2,3x (sog. Regelhöchstsatz) nach billigem Ermessen[2] erhöhen. Wenn er Stress oder erschwerende Umstände hat, darf er nach einfachem Ermessen die Rechnung mit 3,5x (sog. Höchstsatz) erhöhen, ohne dass der Patient Mitspracherecht hätte, und das, nachdem die Behandlung erfolgt ist! Einer Rücksprache oder vorherigen Einwilligung des Patienten bedarf es nicht.
Wenn nicht der 3,5x Multiplikator abgesichert ist, besteht ein unbegrenztes Zuzahlungsrisiko!
Tarife unter 3,5x GOÄ (und GOZ) sollten Sie keinesfalls abschließen!
High-Tech in Deutschland (GOÄ> 3,5x)
Für die Behandlung durch Spezialisten in Deutschland muss mehr als der Höchstsatz von 3,5x versichert werden, sonst findet keine Spitzenmedizin an Ihnen statt. Viele Spezialisten berechnen mehr als den Höchstsatz,[3] gerade bei neueren oder patentierten Verfahren, zu denen sonst kein Zugang bestünde. Wenn beispielsweise bei einem Krebs eine schulmedizinische Erstlinientherapie (Chemotherapie) gescheitert ist und es wissenschaftliche Alternativen gibt, die eine – wenn auch ungewisse – Erfolgsaussicht haben, so wäre dies grundsätzlich zu bezahlen. Eine geringe Erfolgsaussicht stünde dem nicht entgegen.[4] Wenn jedoch über dem Höchstsatz abgerechnet wird, nutzt dieser grundsätzliche Anspruch nichts, weil die Rechnung weit über dem läge, was erstattungsfähig ist.
Ein prominentes Beispiel ist der Orthopäde & Sportmediziner Dr. Müller-Wohlfahrt, Mannschaftsarzt des FC Bayern München,[5] welcher Privatpatienten behandelt und dessen Rechnungen auf Spitzensportler ausgelegt sind. Aber auch im Krankenhaus erhalten Sie ggf. nur allgemeine Krankenhausleistungen,[6] wenn die Gebührenordnung nicht auch Wahlleistungen[7] sowie die privatärztliche Liquidation[8] ermöglicht. Es nutzt nichts sich den Arzt aussuchen zu können (Klausel Privatarztwahl), wenn man ihn nicht bezahlt bekommt!
Für eine gültige Honorarvereinbarung muss eine persönliche Absprache erfolgen, deren Inhalt zur persönlichen Disposition stehen muss, mindestens 24 Stunden Bedenkzeit enthaltend. Auch der Hinweis, dass ggf. nicht alle Kosten von einer Erstattungsstelle (z. B. Versicherung) erstattet werden, muss erfolgen.[9]
Für Notfälle oder akute Schmerzbehandlungen dürfen keine Honorarvereinbarungen getroffen werden, sie sind ungültig.[10]
High-Tech Weltweit (ohne GOÄ-Bindung bzw. GOÄ-frei)
Für gezielte Auslandsbehandlung muss die Bindung an die GOÄ entfallen, sonst findet keine weltweite Spitzenmedizin bei Ihnen Anwendung. Teils gibt es keine fixen Gebührenordnungen, bspw. in den USA. Dies kann zu sehr hohen Kosten führen. Hätten Sie eine Bindung an die GOÄ, wäre der maximale Erstattungsbetrag an Deutschland orientiert und damit vielleicht zu niedrig. Kritisch ist eine Formulierung, die auf die in Deutschland üblichen Kosten beschränkt, denn das ist eine GOÄ-Bindung durch die Hintertür.
Die Wahl der GOÄ ist die mitunter preisintensivste, aber sehr wichtige Entscheidung bei Ihrer PKV. Wenn Sie hier Beschränkungen haben, kann Spitzenmedizin bei Ihnen nicht stattfinden. Natürlich kosten Hochleistungstarife mehr und es gibt derer nicht so viele, aber jeder muss selbst entscheiden, wie wichtig ihm sein Leben ist. Der Autor kann sich nicht erinnern, dass sich ein Versicherter über eine zu gute Versorgung beschwerte. Wohl aber sind im Kaufreuige bekannt, welche den Abschluss eines Billig-Tarifs zutiefst bereuen.
Der absolute Anteil der Rechnung über dem Höchstsatz ist gering, jedoch sind sie der Höhe nach oft so teuer, dass es nicht aus dem Ersparten bezahlt werden kann:
- 0,19% Ambulante Rechnungen
- 0,25% Stationäre Rechnungen
- 1,27% Dentale Rechnungen
Erkennbar ist auch, dass mehr als 1/3 aller Rechnungen exakt zum Höchstsatz erfolgen. Fast alle Rechnungen liegen zwischen Regelhöchstsatz (2,3x) und Höchstsatz (3,5x). Unter 10% der Rechnungen gehen bis maximal zum Regelhöchstsatz,[11] weshalb dieser als Versicherungsgrundlage inakzeptabel ist. Dies mag damit zusammenhängen, dass die GOÄ reformbedürftig ist, da aus Sicht der Heilbehandler veraltet und daher zu niedrig.[12]
Unabhängig von der Gebührenordnung gilt die Wirtschaftlichkeitsklausel[13]
Die Behandlungsmethoden müssen von der Schulmedizin überwiegend anerkannt sein. Andere Methoden werden nur erstattet, wenn keine schulmedizinischen Methoden möglich sind. Bei alternativer Behandlung darf eine Kürzung auf das Niveau erfolgen, was bei der Schulmedizin angefallen wäre.
Wenn z. B. ein Arzt einen modernen Laser statt eines Skalpells einsetzen möchte, kann er dafür nicht einfach eine erhöhte Rechnung schreiben oder andere (analoge) GOÄ-Kennziffern einsetzen, denn der Laser ist der aktuelle Stand nach den Regeln der Kunst und somit bereits mit den Kennziffern der GOÄ abgedeckt.[14] Wenn die GOÄ-Ziffer also keine Methode vorschreibt, darf der Arzt nicht einfach zu Lasten des Patienten erhöht abrechnen. So wären beispielsweise der Trümmerbruch nach einem Reitunfall mit ca. 110.000€ Behandlungskosten in den USA grundlegend erstattungsfähig – im Gegensatz zur GKV – wenn es dem anerkannten Stand der Medizin entspricht, es keine nach dem medizinischen Standard anerkannte Alternative gibt und die Behandlung unter ärztlicher Verantwortung steht.[15]
Sie können für Arzneimittel, Hilfsmittel und andere Medizinprodukte prüfen ob und inwieweit diese in Deutschland anerkannt sind, etwa beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte[16] oder dem TÜV Süd.[17] Was hier erfasst und bewertetet ist, stellt grundsätzlich erstmal kein Problem dar.
Auch gilt der Grundsatz, dass ambulante Behandlungen zu bevorzugen sind. Sie sind gegenüber dem stationären Aufenthalt vorrangig durchzuführen. Zwar gibt es keine gesetzliche Normierung wie bei den Krankenkassen,[18] jedoch ergibt sich aus den Musterbedingungen[19] sowie der Rechtsprechung,[20] dass eine Heilbehandlung nur dann medizinisch notwendig ist, wenn das Leiden im Krankenhaus besser behandelt werden kann als beim niedergelassenen Arzt oder der gleiche Behandlungserfolg günstiger erreicht werden kann.
Bei neuartigen Behandlungsmethoden besteht grundsätzlich eine erhöhte Beratungspflicht des Arztes. Da diese auch Fehler machen, kann die Rückfrage beim Hersteller des Medizinprodukts sinnvoll sein.[21]
Anbei Beispiele aus der Leistungsabteilung der PKV Deutscher Ring, warum Leistungen über dem Höchstsatz der GOÄ (3,5x) wichtig sind, wobei nicht jede Rechnung ein finanzielles Risiko darstellt.
Beispiele für Rechnungen >3,5x GOÄ/GOZ
Beispiel Rückenbehandlung aufgrund von Unfall
Grafik – Wahlleistung Honorarvereinbarung Wirbelsäulen-OP
Beispiel Behandlung eines Kindes auf der Intensivstation
Grafik – Behandlungskosten für Kind auf Intensivstation
Beispiel Knochenbruchbehandlung
Grafik – Knochenbruch Standard (=3,5x GOÄ) |