Pflegepflichtversicherung
Es besteht Versicherungspflicht in der Pflege. Die private Pflegepflichtversicherung (PVN) ist in weiten Teilen der sozialen Pflegepflichtversicherung (SPV) nachempfunden. Dabei ist ein wesentlicher, aber abgrenzender Bestandteil der privaten Pflege die Bildung von Altersrückstellungen. Außerdem bilden die PKVU für die Pflegepflichtversicherung die GbR Pflege-Pool unter Leitung des PKV-Verbands zum gemeinsamen Risikoausgleich, der von der BaFin überwacht wird.
Aktuell hat die PVN ein günstigeres Verhältnis von jung zu alt, was durch die Risikoselektion erklärt wird, sowie dem Verhältnis von Männern zu Frauen. Frauen werden im Schnitt älter und beziehen länger Pflege-Leistungen. Doch dieser heutige Finanzierungsvorteil schmilzt stückweise ab, weshalb größere Steigerungen als in der KV eintreten könnten. Zum Jahreswechsel von 2021 nach 2022 sind die Prämien für Pflegezusatzversicherungen bereits zwischen 50% bis 100% gestiegen. Die Finanzlage der SPV ist so angespannt, dass bereits 2025 mit einer Notlage zu rechnen ist, Reformen außen vor.
Die Kürzel PVN, PPV oder SPV etc. werden teils synonym genutzt, obwohl dies formaljuristisch inkorrekt ist. PV ist das Kürzel für Pflegeversicherung. Die sonstigen Unterscheidungen sind:
Es gilt der Grundsatz, dass die Pflege- der Krankenversicherung folgt, also im gleichen Unternehmen versichert sein sollte. Es muss aber nicht! Für Angestellte über der JAEG kann es eine Option sein, dass Sie in der gesetzlichen Krankenkasse bleiben aber in die private Pflegepflichtversicherung wechseln. Oft lässt sich dadurch eine Beitragsersparnis erzielen, mit der die Pflegelücke durch Zusatzversicherung teils kostenneutral geschlossen werden kann. Da Kinder in der Pflegepflichtversicherung oft kostenfrei versichert sind, kann dieses Hybridmodell für Familien interessant sein.
Aufgrund der sozialen Schutzfunktion ist die PVN auch bei Formfehlern nicht rückabwickelbar, da kein Versicherter eine lückenlose, rückwirkend Anschlussversicherung wird nachweisen können. Auch das Pflegetagegeld genießt Kündigungsprivilegien. So gehen einige Gerichte davon aus, dass eine Kündigung ab 3.000€ jährlicher Versicherungsleistung durch einen Betreuer der Genehmigung durch das Betreuungsgericht bedarf. Pflegeleistungen sind nicht pfändbar, auch nicht, wenn sie mittelbar ausgezahlt bzw. erbracht werden.
Die Pflegepflichtversicherung leistet für Personen, die „gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen“. Diese dauerhafte Beeinträchtigung wird in Pflegegrad unterschieden, denen maximale Pauschalen zugeordnet sind. Diese Pauschalen genügen leider nicht um die tatsächlichen Kosten zu decken, wie eine Recherche der realen Kosten zeigt. Sollten Sie die Pflegekosten nicht bezahlen können, wird Regress genommen, wie in der u. g. Grafik dargestellt:
Ein Freibetrag von 100.000€ pro Kind ist 2020 eingeführt worden.
Auch wenn die private Pflegepflichtversicherung etwas besser ausfinanziert ist, so haben beide Pflegepflichtversicherungsarten erhebliche Deckungslücken. Es empfiehlt sich der Abschluss einer Pflegezusatzversicherung oder zumindest einer Pflegeanwartschaft. Letztere können Sie teils ohne Gesundheitsprüfung oder mit stark vereinfachter Prüfung erhalten. Achten Sie bei Arbeitnehmern darauf, dass diese zusätzlichen Pflegeversicherungen nicht den Zuschuss zur Pflegeversicherung, sondern dem Zuschuss zur Krankenversicherung unterliegen!
Tipp: Der Pflege-Bahr ist ein gefördertes Produkt mit einer Pflegevorsorgezulage (5€/Monat Förderung bei 15€/Monat Mindestbeitrag) , das ohne Gesundheitsprüfung abgeschlossen werden kann, insofern man noch nicht pflegebedürftig ist. Dabei beträgt die Wartezeit für Leistungen 60 Monate. Mittlerweile muss in jedem Pflegegrad eine Leistung erbracht werden. Einige Gesellschaften bieten Tarife an, welche ohne diese Wartezeit oder Leistungseinschränkungen auskommen aber dennoch eine vereinfachte Gesundheitsprüfung haben.
Ehegattenkappung der Pflegepflichtversicherung
Unter Umständen muss der Ehepartner nicht den vollen Betrag zur Pflegeversicherung zahlen. Die Bedingungen sind:
• Beide Ehegatten sind privat pflegepflichtversichert und
• mindestens ein Gatte verdient weniger als 1/7 der monatlichen Bezugsgröße und
• mindestens ein Gatte hat eine Pflegeversicherung mit Altbestandsrechten (versichert seit 1995) vereinbart.
Diese Kappung gilt nicht für die Öffnungsaktion beim Beamten.
Beitragsfreie Pflegepflichtversicherung von Kindern
Wenn mindestens ein Elternteil in der PKV versichert ist UND nicht von der Beitragszahlung befreit ist, können Kinder zu den Neugeschäftskonditionen kostenfrei pflegepflichtversichert werden. Zur Prüfung können Sie dieses Schema verwenden:
Die Altersgrenzen in der beitragsfreien PPV sind:
- Allgemein bis zum 18. Lebensjahr
- Bei Arbeitslosigkeit bis zum 23. Lebensjahr
- Bei der Ausbildung bis zum 25. Lebensjahr (wenn keine Versicherungspflicht vorliegt)
Beispiel kostenfreier PVN für Kinder
Anbei ein Beispiel, für die kostenfreie Kinder-PVN, wenn diese weniger als 1/7 der Bezugsgröße Einkünfte haben.
Sehr geehrte Frau XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX,
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
Tarif: PVN
Für diesen Vertragsteil sind derzeit die Voraussetzungen für eine beitragsfreie Mitversicherung in der privaten Pflege-Pflichtversicherung erfüllt. Sollte sich das Einkommen oder die berufliche Situation ändern und damit der Anspruch auf Beitragsfreiheit entfallen, sind Sie verpflichtet, uns dies mitzuteilen.
Ihre HALLESCHE Krankenversicherung
Mit freundlichen Grüßen
Grafik 34 – 2023-11-01 Hallesche kostenfreie PVN für Kinder
Pflegetagegeldversicherung
Das Restkostenrisiko der SPV/PVN kann über eine Pflegetagegeldversicherung (PTG) abgesichert werden. Hierunter fallen auch Tarife für den sog. Pflege-Bahr, eine staatlich geförderte Pflegetagegeldversicherung.[1] Für die für die PKV relevante Zielgruppe ist der Pflege-Bahr selten sinnvoll, da er für nicht regulär versicherbare Personen konstruiert wurde.
Es gibt mit der Pflegeversicherung als Lebensversicherung sowie den Pflegesachkostenversicherungen Alternativen, die nach Meinung des Autors besser das Restrisiko der Pflege absichern. Zudem ist zu beobachten, dass die Qualität der Pflegetagegelder über die Jahre kontinuierlich abnimmt, während die Prämien steigen. Dies ist auf zu großzügige Annahmen in der Vergangenheit zurückzuführen.[2]
Ohnehin sollten PKV-Kunden eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen, da selbst bei mittelmäßigen Tarifen eine Leistung bei Pflege vorgesehen ist. Damit verbleibt das Risiko in der Rentenzeit, wenn der Leistungsfall auch wahrscheinlicher wird. Hier kann idR durch einen guten Altersvorsorge-Anbieter gegengesteuert werden, die oft Pflegeoptionen anbieten, beispielsweise durch erhöhte Leistung im Pflegefall oder gar den Abschluss von Pflegeversicherungs-Tarifen zum Rentenantritt. Dies ist idR beitragseffizienter als der Abschluss eines PTG.
Zudem wird der Beitrag des PTG vom AG-Zuschuss der KV abgezogen, nicht von der PV. Dort könnten aber Beitragsentlastungstarife statt des PTGs eingekauft werden.
Pro forma finden Sie anbei einige Klauseln, die bei der Auswahl eines PTG beachtet werden sollten:
Interessierte Leser können bei https://meine.pflege.de/service/pflegegradrechner unter Verwendung einer Wegwerf-E-Mail-Adresse einen Eindruck gewinnen, was bei der Pflegeeinstufung abgefragt wird und relevant ist.
Teilkasko-Lösung des Pflege-Tagegeldes
Oft kann eine Ersatzlösung sein, dass ein Pflegetagegeld zum Risikobeitrag (ohne Alterungsrückstellungen) abgeschlossen wird oder eine reine Option, die erster später in einen leistungspflichtigen Vertrag umgewandelt wird. Doch nicht alle Versicherungen bieten diese Option an! Beispiel eines 40J. alten Mannes mit 100€ Pflegetagegeld (abgestufte Leistung).[3]
Einige Versicherungen erlauben den Abschluss eines Pflege-Tagegeldes, obwohl Sie woanders eine Voll-PKV unterhalten. Dies sollte vor dem Abschluss geklärt werden. Leistungen aus Gruppenverträgen, z. B. durch betriebliche Krankenversicherung, sollten ebenfalls gemeldet sowie berücksichtigt werden.
Haushaltshilfe und häusliche Pflege
Um eine Leistung aus der Pflegepflichtversicherung beanspruchen zu können, bedarf es einer Pflegestufe, welche in der Regel einen mindestens sechsmonatigen Pflegebedarf voraussetzt.
Ungeachtet der altersbedingten Morbidität, kann ein Unterstützungsbedarf – was nicht zwingend deckungsgleich mit Pflegebedarf ist – durch andere Ereignisse entstehen, etwa durch eine OP oder komplizierte Geburt. Zwar gibt es auch den Begriff der Kurzzeitpflege, jedoch handelt es sich hier nicht um temporäre Leistungen, sondern um eine temporäre Überbrückung, bevor die reguläre Pflege starten kann,[4] womit deren Bedingungen gelten.[5]
Wenn Sie kein soziales Umfeld haben, was Sie tragen kann, sollten Sie erwägen Haushaltshilfen sowie häusliche Pflege mitzuversichern.
Anbei ein Beispiel für Haushaltshilfen-Bedarf nach einer komplizierten OP.
ÄRZTLICHES ATTEST
zur Vorlage bei der Krankenkasse
BETRIFFT: Grundpflege nach Geburt mit Komplikationen
Frau XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
Bei Frau XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX besteht ein Zustand nach Geburt am XX.XX.23 durch Vakuumextraktion mit einem Dammriss 3. Grades und Nachcurettage bei Makrosomie des Kindes (Gewicht 4530g, Länger von 57 cm, Kopfumfang 38cm)
Aufgrund der Geburtsproblematik besteht bei der Patientin eine Adynamie, eine Bewegungseinschränkung durch die schmerzhafte Dammnarbe sowie daraus resultierend eine deutliche Einschränkung der Selbstversorgung.
Die Patientin kann nicht sitzen, nur überwiegend liegen.Deshalb erfolgt hiermit die Verordnung der häuslichen Krankenpflege zur Wundversorgung, Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung für 4 Wochen ab dem XX. August 2023.
Grafik 35 – Bedarf einer Haushaltshilfe nach komplizierter Geburt
Fußnoten & Quellenangaben
[1] §126 ff BGB – Zulagenberechtigte https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_11/__126.html
[2] 2023-08 Morgen & Morgen GmbH – Gutes Bedingungsniveau bei den Pflegetagegeldern https://morgenundmorgen.com/service/ratings/pflegetagegeld
[3] 2021-10 Hallesche KVaG – Dokument PM 94u –09.16 und PM 76u – 10.21
[4] §42 SGB XI Kurzzeitpflege https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_11/__42.html
[5] §14; 15; 18; 33; 35 ff SGB XI https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_11/__14.html; https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_11/__15.html; https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_11/__18.html; https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_11/__33.html; https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_11/__35.html iVm 2022-12-20 Gemeinsames Rundschreiben – Pflegeversicherung: Leistungsrechtliche Vorschriften des SGB XI https://www.haufe.de/sozialwesen/sgb-office-professional/gr-v-20122022-ii-pflegeversicherung-leistungsrechtliche-vorschriften-des-sgbxi_idesk_PI434_HI9573596.html