Kalkulationsgrundlagen: Die Krankenversicherung als Rentner
Als Rentner sind Sie Mitglied der Krankenversicherung der Rentner, jedoch bestimmt Ihr Status wie viel Sie zahlen müssen. Die KVdR darf nicht als übergeordnete Krankenkasse verstanden werden. Sie ist eine sozialversicherungsrechtliche Fiktion, welche paritätische Zuschüsse und Bemessungsgrundlagen zur Krankenversicherung berechnet. Die Frage ob GKV oder PKV ist damit nicht geklärt!
Was ist die Krankenversicherung der Rentner (KVdR)?
Die KVdR ist keine Krankenversicherung oder -kasse, sondern eine sozialversicherungsrechtliche Fiktion, die zur Berechnung der Beiträge herangezogen wird. Ihre bisherige Krankenversicherung bleibt die Gleiche, nur dass sich Berechnungen ändern können. Als Rentner gehören Sie in eine von drei KVdR-Mitgliedschaften:
Grafik 120 – KVdR Mitgliedschaften
Als PKV-Versicherter müssen Sie spätestens drei Monate nach Beginn der Versicherungspflicht als GRV-Rentner einen Befreiungsantrag stellen.[1] Die DRV veröffentlicht ein Merkblatt zur KVdR.[2]
Hinweis für Versorgungswerk-Mitglieder
Der Hinweis steht auf der RückseiteDies hat zur Folge, dass Rentenbezieher von Versorgungswerken (z. B. Arzt, Anwalt, Architekt, Ingenieur etc.) jedweder Art, z. B. Versorgungswerk der Ärzte NRW, meistens freiwilliges KVdR-Mitglied werden, weil sie regelmäßig keine GRV-Rente beziehen.[3]
Damit greift das GKV-Beitragsprivileg zumeist nicht!
Im Übrigen stellt es keine Benachteiligung dar, wenn man Pflichtmitglied in einem Versorgungswerk ist, z. B. als Arzt, und so gar nicht die notwendigen Bedingungen für die Pflichtmitgliedschaft der KVdR erfüllen kann.[4] Die Befreiung von der Versicherungspflicht wird idR vom Arbeitgeber binnen der ersten drei Monate vorgenommen und hat rückwirkende Wirkung. Im Falle einer Verzögerung gilt die Befreiung ab Zugang des verspäteten Antrags.[5] Die Anträge laufen voll elektronisch.[6]
Dem Autor sind keine Fälle bekannt, wo durch gezielte Verzögerung bzw. Nichtmeldung die notwendigen GRV-Zeiten für eine KVdR-Pflichtmitgliedschaft erreicht wurden.
Warum es ein Nachteil ist ein freiwilliges Kassenmitglied der KVdR zu sein, erfahren Sie bei den steuerlichen Bemessungsgrundlagen.
Sie stemmen die Last der Krankenversicherung im Rentenalter nicht allein! Sie erhalten einen Zuschuss zu jedweder KVdR, der von der Deutschen Rentenversicherung geleistet wird:
Formel des KVdR-Zuschusses zur KV
Die Formel steht auf der RückseiteZahlbeitrag der Rente x 0,5 allgemeiner Beitragssatz inkl. halber durchschnittlicher Zusatzbeitrag [7]
Der Zuschuss ist an die Rentenhöhe gekoppelt und beträgt maximal die Hälfte des zu zahlenden Krankenversicherungs-Beitrags. Er gilt auch für die PKV! Für die Pflegepflichtversicherung wird kein Zuschuss gewährt.
Fußnoten & QuellenAngaben
[1] §201 SGB V Meldepflichten bei Rentenantragstellung und Rentenbezug https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/__201.html
[2] 2022-01-01 DRV – R0815 – Merkblatt zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR) und Pflegeversicherung https://www.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/Formulare/DE/_pdf/R0815.html
[3] „ohne Datum“, Aufruf 2023-03-22 Nordrheinische Ärzteversorgung, Einrichtung der Ärztekammer Nordrhein – Krankenversicherung der Rentner https://www.nordrheinische-aerzteversorgung.de/personen-in-rente/krankenversicherung-der-rentner-kvdr
[4] 2004-08-31 BVerwG – Az. 1 BvR 285/01 https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2004/08/rk20040831_1bvr028501.html
[5] §6 SGB VI Befreiung von der Versicherungspflicht https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_6/__6.html
[6] 2022-12-08 Deutsche Rentenversicherung – Befreiung von Versicherungspflicht in der gesetzlichen RV https://www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Ueber-uns-und-Presse/Presse/Meldungen/2022/221206_befreiung_vp_mitglieder_berufsstaend_einr.html
[7] §106 SGB VI Zuschuss zur Krankenversicherung https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_6/__106.html
Freiwilliges Mitglied oder Pflichtmitglied?
Als PKV-Mitglied zahlen Sie im Rentenalter den Beitrag abzüglich eines etwaigen Zuschusses. Wenn Sie GKV-Mitglied sind, bestimmt der Status (freiwillig oder pflichtig) welches Einkommen einem Krankenversicherungsbeitrag unterworfen wird. Geprüft wird der Status nach der 9/10-Regel. Diese umfasst die Spanne vom ersten sozialversicherungsrechtlichen Arbeitstag bis zum Tag der Rentenantragsstellung. Wer mindestens 9/10 der zweiten Hälfte seines Erwerbslebens in der GKV war, der ist als Rentner Pflicht-Mitglied in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR). Pro Kind werden drei fiktive Jahre GKV-Mitgliedschaft angerechnet, egal wann es geboren wurde. Wer diese Zeit nicht erfüllt, gilt als freiwilliges Mitglied, was Auswirkungen auf die Einkommensbestandteile hat, die zum Beitrag herangezogen werden.
Nicht selten kommt es bei ehemaligen Selbstständigen oder zeitlichen Grenzfällen zu Streitigkeiten mit der Sozialversicherung. Hier ist zu beachten, dass dem Versicherten hohe Mitwirkungspflichten auferlegt sind,[1] d. h. auch nicht geschwärzte Steuerbescheide etc. können angefordert werden.
Kommt man dieser Mitwirkungspflicht nicht nach, kann es zu willkürlichen Festsetzungen seitens der Sozialversicherung bzw. des Gerichts kommen, die in einer Mehrbelastung enden. Zwar kann man gegen diese nachteiligen Verwaltungsakte vorgehen, doch die Empfehlung ist direkt kooperativ zu sein, denn ein etwaiger Betrug hätte ohnehin keinen Bestandsschutz.[2]
Fußnoten und Quellenangaben
[1] §106a SGG – Kein Titel https://www.gesetze-im-internet.de/sgg/__106a.html
[2] 2021-10-21 LSG Hamburg – Az. L 1 KR 22/21https://openjur.de/u/2379353.html
9/10-tel Regel für günstige GKV-Beiträge
Dies ist eine schematische Darstellung für die 9/10 KVdR-Prüfung.
Grafik 121 – Schema zur 9/10-tel Berechnung
Der Nachweis der erstmaligen sozialversicherungsrechtlichen Tätigkeit kann teilweise sehr schwerfallen, gerade wenn Sie schon als Schüler mit dem Jobben begonnen haben. Leider sind Sie in der Nachweispflicht!
Beachten Sie, dass auch der Tag der Rentenantragsstellung Berechnungsstichtag ist. Im Falle von Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit kann es opportun sein diesen nach hinten zu schieben, um die Zeit für die 9/10-Regel ggf. doch noch zu erfüllen. Wer keinen Anspruch auf gesetzliche Rente hat, geht leer aus.
Kindererziehungszeiten werden im Rahmen der 9/10 Regelung mit drei Jahren pro Kind angerechnet.
Aus der Logik der KVdR ergibt sich, dass eine beitragsbedingte Rückkehr in die GKV mit 55 Jahren zu spät ist, weil Sie dann wahrscheinlich ein sog. freiwilliges KVdR Mitglied würden. Eine etwaige Kassenrückkehr ist zumeist mit spätestens Ende 40 vorzunehmen, um die 9/10-Regel zu erfüllen, welche die vergünstigten Kassenbeiträge im Rentenalter begründet.
Meinung des Autors: Im Zuge der GKV-Beitragsentwicklungen hält der Autor es für unwahrscheinlich, dass das Beitragsprivileg der KVdR dauerhaft in dieser Höhe aufrechterhalten werden kann, falls überhaupt.
Beitragsbasis der KVdR
Es gelten folgende Bemessungsgrundlagen für den Krankenversicherungs-Beitrag im Alter:
Einkommensart |
Pflichtmitglied GKV |
Freiwilliges Mitglied GKV |
PKV (Einkommen egal) |
Gestzliche Rente / Versorgungswerk |
Ja |
Ja |
Nein |
Betriebsrente inkl. Einmalzahlung |
Ja |
Ja |
Nein |
Freibetrag für Betriebsrenten |
Ja |
Nein |
Irrelevant |
Rürup & Riester |
Nein |
Ja |
Nein |
Privatrenten inkl. Einmzalzahlung |
Nein |
Ja |
Nein |
Miete, Pacht |
Nein |
Ja |
Nein |
Zinsen |
Nein |
Ja |
Nein |
Renten aus gesetzlicher UV/BG |
Nein |
Ja |
Nein |
Das Pflichtmitglied zahlt dabei idR nur den allgemeinen Beitragssatz, der nicht auf alle Einkünfte Anwendung findet,[1] sondern nur auf Renten, rentenähnlichen Einkünfte und Arbeitseinkommen.[2] Die Rentenversicherung zahlt idR die Hälfte.[3]
Diese Privileg gilt nicht für freiwillige Mitglieder, die den vollen Satz auf nahezu alles zahlen, auch auf bereits versteuerte Einkünfte.[4] Besonders schlimm wird es, wenn der Partner nicht in der GKV ist, sondern in der PKV. Denn dessen hälftige Alterseinkünfte werden dem GKV-Mitglied beitragssteigernd angerechnet; was laut LSG dem Willen des Gesetzgebers entspricht.[5]
Ein Sonderfall ist die Erlebensfall-Einmalleistung aus Lebens- oder Rentenversicherung. Diese Einmalleistung wird fiktiv auf 120 Monate verteilt und verbeitragt, wenn man in einer Kasse Mitglied ist,[6] unabhängig vom Status. Diese Verbeitragung ist verfassungskonform[7] und auch nicht ungerecht, nur weil die Riester-Renten eine Privilegierung in Form einer Nichtverbeitragung haben.[8] Dagegen wäre die Auszahlung eines Rückkaufswerts bei Kündigung nicht zu verbeitragen,[9] weshalb vereinzelt die Kündigung kurz vor Ablauf opportun sein könnte.
Anbei ein Beispiel aus der Praxis:
Ihre Beiträge
Guten Tag,
vielen Dank für Ihre Zusätzlich haben wir Informationen von einer Zahlstelle erhalten.
Renten, rentenähnliche Einkommen (zum Beispiel Versorgungsbezüge) und Arbeitseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit sind beitragspflichtig. Was das konkret für Ihre Versicherungsbeiträge bedeutet, sehen Sie in der befliegenden Übersicht.
Auch Kapitalleistungen oder Abfindungen. die Sie statt monatlicher Versorgungsbezüge erhalten, müssen wir bei der Beitragsberechnung berücksichtigen. Dafür wird maximal zehn Jahre lang pro Monat 1/120 der ausgezahlten Summe herangezogen.
Das beitragspflichtige Einkommen haben wir anhand der Angaben der Zahlstelle. des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2021 und Ihrer Angaben auf der Einkommensanfrage aus dem Jahr 2022 ermittelt.
Wichtig: Die Beiträge aus Ihrem Arbeitseinkommen haben wir vorläufig festgesetzt Sobald wir Ihren Einkommensteuerbescheid für das Jeweilige Jahr erhalten, berechnen wir Ihre Beiträge anhand Ihres tatsächlichen Einkommens neu — rückwirkend für das entsprechende Jahr. Waren die vorläufigen Beiträge zu hoch, erstatten wir Ihnen die Differenz; waren sie zu niedrig, müssen wir die Differenz nachfordern.
Bitte senden Sie uns daher eine Kopie Ihres vollständigen Bescheides zu, sobald Sie ihn erhalten haben.
Die Beiträge für einen Monat sind immer am 15. des jeweils folgenden Monats fällig. Bitte denken Sie daran, rechtzeitig zu überweisen. Ein Beispiel: Die Beiträge für den Monat Januar 2023 müssen bis zum 15. Februar 2023 auf unserem Konto eingegangen sein.
Bitte geben Sie bei jeder Überweisung die Versichertennummer als Verwendungszweck an, damit wir die Beitrage richtig zuordnen können. Vielen Dank.
Grafik 122 – Verbeitragung einer Einmalzahlung, automatischer Datenaustausch
Für Betriebsrenten bei freiwillig versicherten Rentnern gilt seit 2020 ein Freibetrag in Höhe von 1/20 der monatlichen Bezugsgröße. Im Jahr 2020 beträgt dieser Wert 159,25€/Monat und wächst analog zur jährlich steigenden Bezugsgröße.
In jedem Fall ist zu beachten, dass ein Verschweigen der Zahlung sinnlos ist, denn es findet ein automatischer Datenaustausch statt. Strafbarer Sozialversicherungsbetrug bliebe es dennoch! Die Abrechnung erfolgt dabei selbst für Kleinstbeträge, sowie getrennt nach Einkunftsarten, wie in der Fortführung des o. g. Beispiels ersichtlich.
Fußnoten und Quellenangaben
[1] §247 SGB V Beitragssatz aus der Rente https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/__247.html
[2] §237 SGB V Beitragspflichtige Einnahmen versicherungspflichtiger Rentner https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/__237.html
[3] §249a SGB V Tragung der Beiträge bei Versicherungspflichtigen mit Rentenbezug https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/__249a.html
[4] §238a Rangfolge der freiwilligen Einnahmearten freiwillig versicherter Rentner https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/__238a.html iVm §240 SGB V Beitragspflichtige Einnahmen freiwilliger Mitglieder https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/__240.html
[5] 2023-08-14 Hessisches LSG – Az. L 8 KR 174/20 https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/node/174296
[6] 2010-01-27 BSG Az. B 12 KR /2808 R https://openjur.de/u/169668.html
[7] 2020-07-08 BSG Az. B 12 KR 1/19 R https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/Verhandlungen/DE/2020/2020_07_08_B_12_KR_01_19_R.html
[8] 2020-07-08 BSG Az. B 12 KR 17/18 R https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2019/2019_02_26_B_12_KR_12_18_R.html
[9] 2022-11-29 LSG Baden-Württemberg – Az. L 11 KR 3272/22 https://openjur.de/u/2460409.html
Grafik 123 – Berechnung KV-Pflicht für Betriebsrenten Einmalzahlung ohne Untergrenze
Diese Regelung gilt nicht für Unterhalts-Zahlungen, die in Form einer Abfindung erfolgen. Diese werden lediglich auf zwölf Monate verteilt, was schnell zum Höchstbeitrag in der GKV führt, und nicht auf 120 Monate.[1]
Da viele Angestellten auch im Rentenalter den Kassen-Höchstbeitrag zahlen müssten, ergibt der Wechsel in die PKV oft Sinn, da die PKV günstiger sein kann als die GKV, weil Ihr Beitrag sich nicht am Einkommen orientiert. Schließlich werden die wenigsten Personen ohne Zusatzrenten, Immobilien oder Kapitaleinkünften ihren Ruhestand bestreiten können. Nur weil Sie in die Krankenkasse zurückkönnten, hätten Sie nicht zwingend die 9/10 Regel erfüllt, die eine Begünstigung bei der Krankenversicherung erfüllt sein muss.
Gleiches gilt für Beamte, die aufgrund der erhöhten Pensionen sogar noch stärker betroffen sind, da diese nicht von der Deutschen Rentenversicherung bezahlt wird.
Der Nachweis der Einkünfte wird dabei regelmäßig an folgenden Unterlagen festgemacht.
Fußnoten und Quellenangaben
[1] 2022-10-18 BSG – Az. B 12 KR 6/20 R https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/Verhandlungen/DE/2022/2022_10_18_B_12_KR_06_20_R.html
Art der Einnahme | Benötigter Nachweis |
Arbeitseinkommen, Einkünfte aus VuV | Einkommensteuerbescheid |
Arbeitsentgelt, Dienstbezüge | Entgeltbescheinigung |
Abfindungen, Entschädigungen etc. | Vereinbarungen, Verträge |
Renten, Versorgungsbezüge etc. | Bescheide, Anpassungsmitteilungen |
Kapitalerträge | Bescheinigungen |
Dabei wird immer der Jahreswert durch zwölf dividiert, so dass einzelne Monatsextreme keine Verzerrung verursachen. Ausgenommen von der Bemessungsgrundlage sind idR nur Sozialleistungen sowie spezielle Einkommensarten. Generell ist der Wille des Gesetzgebers aber die vollumfängliche Verbeitragung für alle, wobei die einseitige Festlegung der Grundlage im Rahmen der Selbstverwaltung der GKV korrekt ist.[1] Viele Bemessungsgrundlagen wurden dabei durch Rechtsprechung festgelegt.[2]
[1] 2021-12-19 BSG Az. B 12 KR 20/11 R https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/legacy/161721?modul=esgb&id=161721
[2] 2020-03-20 GKV-Spitzenverband – Katalog von Einnahmen und deren beitragsrechtliche Bewertung nach § 240 SGB V vom 20. März 2020 https://www.google.com/search?client=firefox-b-d&q=beitragsbemessungsgrunds%C3%A4tze+gkv+spitzenverband
Rückkehr in die Krankenkasse bis 55?
Für Selbstständige mit schwacher Leistungsfähigkeit kann es wirtschaftlich erstrebenswert sein in die KVdR-Pflichtmitgliedschaft der Krankenkassen zu gelangen. Dies ist individuell zu prüfen! Die Krankenkasse ist einkommensabhängig, während die PKV einkommensunabhängig verbeitragt. Wer wenig Einnahmen als Rentner zu erwarten hat, bekommt mit der PKV vielleicht ein Problem.
Wer diesen Weg gehen will, muss in der Regel bis spätestens Mitte 40 einen Kassensturz gemacht haben und bis spätestens Ende 40 wechseln, da sonst die 9/10 Regel vielleicht nicht erfüllt wird! Mit 55 ist es oft zu spät, weil die Bedingungen für die günstigere KVdR-Pflichtmitgliedschaft nicht erfüllt werden. Dann ergibt der Wechsel meist keinen Sinn mehr! Eine Faulenzer-Tabelle für den letzten Wechselzeitpunkt finden Sie bei den Formularen.
Beachten Sie, dass die Vollendung des 55. Lebensjahrs der letzte reguläre Wechsel-Zeitpunkt ist.[1] Zwar gibt es Ausnahmen, doch diese wurden im Laufe der Jahre immer weniger. Der Gesetzgeber und die Krankenkassen haben kein Interesse, dass in den gesunden Jahren die PKV die Prämien der Nettozahler vereinnahmt, um diese im Alter als Kranke der Solidargemeinschaft aufzubürden. Es wäre eine ungerechte Verschiebung des Äquivalenzprinzips der PKV in die gesetzlichen Krankenkassen.[2] Die Verluste im gesetzlichen System aufgrund der Beitragsbemessungsgrenze sowie der Wechsler in die PKV gehen jährlich ohnehin in die Milliarden.[3]
Der Weg zurück führt bis zum 55. Lebensjahr mehrheitlich über eine Anstellung, bei der Sie unter der Jahresarbeitsentgeltgrenze verdienen. Diese können Sie unterschreiten durch:
- Arbeitsvertragliche Reduktion Ihres Einkommens.
- Abschluss von Betriebsrenten, die Ihr Bruttoeinkommen mindern.
- Nutzung von Teilzeit bzw. Brückenteilzeit.[4]
- Einschluss in die Familienversicherung[5] (auch ü55), wobei Einkommensschwellen und Kinderanrechnungszeiten zu beachten sind.
- den Bundesfreiwilligendienst[6], wenn Sie vorher nicht versicherungsfrei waren.[7]
- Versicherungspflicht im EU-Ausland inklusive substitutiver Krankenversicherung mit mindestens zwölfmonatiger Dauer.
Eine etwaige Selbstständigkeit sollte in der Zeit ruhen, da Sie sonst das Problem haben, dass der zeitliche oder monetäre Nebenberuf der Selbstständigkeit in Frage gestellt würde. Regelmäßig wird der Vorwurf des Scheinarbeitsverhältnis erhoben. Selbst das Ausstellen einer allgemeinen Versicherungsbestätigung sowie einer Krankenkassen-Chipkarte begründen keinen Vertrauensschutz, sondern können im später erfolgenden Verfahren rückwirkend widerrufen werden.[8]
Theoretisch könnte auch mit einer Familienversicherung im Rentenalter eine Pflichtversicherung erreicht werden, doch setzt dies meist hohen Aufwand voraus, falls es überhaupt möglich ist die Einkommens-Grenze der Familienversicherung zu unterschreiten.
Regelmäßig machen Meldungen über unseriöse Rückkehr-Berater die Runde, welche oft gewerbsmäßigen Sozialversicherungsbetrug betreiben, dabei oft über windschiefe EU-Auslands Konstrukte arbeitend.[9]
Pflichtmitglieder der KVdR sind etwas bessergestellt, d. h. mit zunehmendem Alter (idR 45+) steigt die Relevanz der Entscheidung, ob der Systemwechsel überhaupt sinnvoll ist. Dies führt gelegentlich dazu, dass im erhöhten Alter der Wechsel in die PKV diesbezüglich nachteilig sein kann.
Faustformel: Je höher sowie sicherer Ihre Einnahmen, umso eher ergibt der Wechsel in die PKV wirtschaftlich Sinn! Spätestens mit Mitte 40 sollten Sie einen Kassensturz machen und ggf. die Rückkehr in die GKV vorbereiten.
Die Deutsche Rentenversicherung Bund unterhält eine Broschüre zu dem Thema.[10]
Für die Rückkehr in die gesetzliche Krankenkasse sollten Sie externe Dienstleister beauftragen. Gewarnt sei vor Scheingeschäften, wie der fiktiven Anstellung, „Tricks“ oder Konstrukte über das EU-Ausland. In den meisten Fällen fliegen diese „Tricks“ auf und nebst dem Problem mit der dann fehlenden Krankenversicherung – die PKV hätten Sie dann ja gekündigt – kommen noch strafrechtliche Konsequenzen hinzu. Bspw. die Erstattung der zu Unrecht bezogenen Leistungen.[11]
Auch Dummheit wird bestraft, denn die Reihenfolge sowie die Motivation sind wichtig. Selbst wenn ein Rückkehrer alle Rahmenbedingungen schafft, dass er zurückkehren könnte, kann es sich um ein Eigentor handeln. So hatte beispielsweise in PKV-Versicherter erst seine PKV „aus finanziellen Gründen“ gekündigt, dann die Familien(pflicht-)versicherung seiner Ehefrau genutzt und diesen Nachweis seiner Ex-PKV gesandt. Leider wurde er zwischenzeitlich ein Pflegefall und bekam keine Leistungen der SPV, weil er die Rückkehr falsch abgewickelt hatte.[12] Es ging so weit, dass der damals geurteilte Sonderfall ins Gesetz aufgenommen wurde. So gilt beispielsweise eine zweijährige Wartezeit für Familienversicherte in der SPV,[13] wenn diese in der „falschen“ Reihenfolge zurückkehren. Man könnte es als Falle des Gesetzgebers zum Schutze der Sozialgemeinschaft interpretieren, dass dieser extra eine Sonderkündigungsmöglichkeit zur Kündigung der PVN geschaffen hat,[14] die fehlerhafte Rechtsausübung jedoch durch Wartezeiten bestraft.
Achtung: Fallen Sie nicht auf zweifelhafte Rückkehr-Optimierer herein, die behaupten Sie schnell und einfach zurück in die GKV zu bekommen, und dafür meist sündhafte teure Honorare verlangen. Oft wird hier betrogen, denn die Grenzen sind sehr eng und „Grenznutzenoptimierungen“ können Sie in einen Prozess wegen Sozialversicherungsbetrugs treiben. Sie können eine Beratung bei spezialisierten, gemeinnützigen Stellen erhalten, z. B. der UPD Patientenberatung Deutschland gGmbH[15] oder VuP – Verbund unabhängige Patientenberatung e.V.[16]
Gegen einen abgelehnten Antrag samt Belehrung einer GKV könnten Sie binnen eines Monats Widerspruch einlegen, hilfsweise Sozialklage einreichen, wobei Sie auch hier kostengünstige Beratungsangebote erhalten können, z. B. Sozialverband VDK Deutschland.[17]
Sie können als Faustformel festhalten, dass die GKV das sozialere System ist, was sich u. a. in den deutlich günstigeren Beratungsangeboten widerspiegelt. Preisübertreibungen wie in der PKV müssen Sie hier selten fürchten.
Aber eine Rückkehr kann auch unsinnig sein, wie aus der u. g. E-Mail (sic!) eines GKV-Key-Accounters ersichtlich. Dieser sagt einem Rückkehr-Optimierer klar, dass der Wechsel für den Versicherten wirtschaftlich nachteilig ist und er deshalb nicht mitwirken wird. Die Umschreibung der Firmen (rote Markierung) wäre idF für umsonst, da nicht zielführend.
Laut dem Steuerbescheid liegt das zu versteuernde Einkommen von ihm bei 80.925,-€, was ja dann ihrem zu versteuernden Einkommen für die Beitragsbemessung entsprechen wird.
Damit liegt er/sie deutlich über der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) von aktuell 62.100,-€ und ist damit in den Höchstbeitrag einzustufen. Wenn ich das richtige lese auf der Gehaltsabrechnung haben sie die Elterneigenschaft, was ja für die PV wichtig ist.
Damit kommt sie auf einen Beitrag von KV: 826,97€ PV: 175,95€ Gesamt: 1.002,92€.
Die Gehaltsabrechnung Dezember ist leider ungünstig, da dort Urlaubs- und Weihnachtsgeld gezahlt wurde, was die Beiträge in KV und PV höher werden lässt.
Ich habe mal schnell ohne beide Sonderzahlungen gerechnet, dann zahlt sie bei einem „normalen“ Bruttoeinkommen von 1.229,-€ monatlich KV: 96,47€ PV: 20,89€ Gesamt: 117,63€ als Arbeitnehmerin, da ihr Mann aber auch ihr Arbeitgeber ist, zahlt der Haushalt auch den Arbeitgeberanteil, also müssen wir den Betrag verdoppeln = 235,26€.
626,40€ + 235,26€ = 861,66€ aktueller Gesamtbeitrag für beide in KV und PV.
1.002,92 – 861,66 = 141,26€ Mehrkosten monatlich, Stand heute.
Lass uns gerne nochmal telefonieren, bevor ich Kontakt aufnehme. Ich werde die Familie gerne begleiten und mich um alles kümmern, aber ich werde hier nicht eine Beratung durchführen, warum das für sie sinnvoll ist. Das ist deine Aufgabe.[18]
Der Trick mit dem Rentenverzicht ü55
Lange war es bewährte Praxis, dass über die Familienversicherung eine GKV-Rückkehr konstruiert wurde, zumal für diese keine Altersgrenzen galt. Diese Lücke soll geschlossen werden, wie ein Gesetzesentwurf offenlegt, der zum 02.07.2024 verlesen wird und voraussichtlich taggleich gültig sein wird.[19]
Der Trick via Verzicht auf Altersrenten zur Erlangung der Familienversicherung wird nichtig! Bereits vor der der Beschließung wurde ein Teilrentenverzicht als Möglichkeit zur Erlangung der Familienversicherung von einigen Gerichten ausgeschlossen, z. B. dem LSG Berlin-Brandenburg.[20] Die Rechtsprechung ist dabei uneinheitlich.
Fußnoten & Quellenangaben
[1] §6 III a SGB V Versicherungsfreiheit https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/__6.html
[2] 2013-12-16 Bundeszentrale für politische Bildung – Einer für alle, alle für einen – Das Solidarprinzip in der gesetzlichen Krankenversicherung https://www.bpb.de/politik/innenpolitik/gesundheitspolitik/72358/solidarprinzip
[3] 2013-12-16 Bundeszentrale für politische Bildung – Solidarität? Manche müssen nicht mitmachen, wenn sie nicht wollen https://www.bpb.de/politik/innenpolitik/gesundheitspolitik/72387/versicherungspflicht-gilt-nicht-fuer-alle-pkv
[4] §9a TzBfG Zeitlich begrenzte Verringerung der Arbeitszeit https://www.gesetze-im-internet.de/tzbfg/__9a.html
[5] §10 SGB V Familienversicherung https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/__10.html
[6] 2021-01 Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben – Der Bundesfreiwilligendienst von A-Z – #K https://www.bundesfreiwilligendienst.de/bundesfreiwilligendienst/a-bis-z.html#c1107
[7] §6 SGB V Versicherungsfreiheit https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/__6.html
[8] 2020-11-23 LSG Berlin-Brandenburg Az. L 9 KR 30/17 https://openjur.de/u/2316283.html
[9] 2024-04-29 Tagesschau – Risiken und Nebenwirkungen beim Kassenwechsel https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/krankenkasse-wechsel-privat-gesetzlich-100.html
[10] 2020-01-01 DRV R0815 – Merkblatt zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR) und Pflegeversicherung https://www.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/Formulare/DE/_pdf/R0815.html
[11] §50 SGB X Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_10/__50.html
[12] 2017-11-30 BGH – Az. B 3 P 5 /16 R https://datenbank.nwb.de/Dokument/722477/
[13] §33 II SGV XI Leistungsvoraussetzungen https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_11/__33.html
[14] §23 SGB XI Kündigung eines privaten Pflegeversicherungsvertrags https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_11/__27.html
[15] „ohne Datum“, Aufruf 2021-03-24 UPD Patientenberatung Deutschland gGmbH – Beratungsangebot https://www.patientenberatung.de/de/beratungsangebot
[16] „ohne Datum“, Aufruf 2021-03-24 VuP – Verbund unabhängige Patientenberatung e.V. – Wie und wo wird beraten https://www.v-up.de/vup-beraten.html
[17] „ohne Datum“, Aufruf 2021-03-24 Sozialverband VdK Deutschland e.V. – Beratungsstellen-Suche https://www.vdk.de/deutschland/pages/der_vdk/72455/suche-beratungsstelle
[18] 2024-01-29 E-Mail eines KKH-Mitarbeiters – Titel „AW: Vorbereitung zum Termin Herr + Frau XXX/YYY : Beiträge KKH vs. PKV“
[19] 2024-07-02 Die Bundesregierung – Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune (Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz– GVSG) – S. 12 https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/G/GVSG_GE_Kabinett.pdf
[20] 2024-08-07 Datev eG Nürnberg – Kein Wechsel von privater in gesetzliche Krankenversicherung durch kurzzeitigen Teilrentenbezug https://www.datev-magazin.de/nachrichten-steuern-recht/recht/kein-wechsel-von-privater-in-gesetzliche-krankenversicherung-durch-kurzzeitigen-teilrentenbezug-129440