Artikel-Update vom 2025-01-07 inklusive neuer Grafiken
tl;dr: Ist eine Falschangabe nach 10 Jahren sicher verjährt?
Die Antwort steht auf der RückseiteLügen und Warten bis der Leistungsfall vermeintlich außerhalb des VVA-Prüfzeitraums liegt, wird nicht gelingen!
Wenn die 10 Jahre des §21 III VVG nicht greifen, kann über das BGB (Übergang nach §22 VVG) eine unbefristete Arglistanfechtung vorgenommen werden.
Details im Artikel.
Aufgrund des Artikel eines befreundeten Anwalts – Danke Jürgen Nagel (Fachanwalt Versicherungsrecht) an der Stelle – habe ich ein kurzes Update in HOW2PKV eingespielt.
Das Wort Verjährung wird in vereinfachtem Kontext entlehnt, denn es verjährt nichts, es geht nur um die Möglichkeiten eines VUs seine Rechte auszuüben. Aber Verjährung ist für die meisten Leser verständlicher.
Anbei folgen Auszüge aus HOW2PKV mit ein paar Erklärungen sowie darunter einer Falldarstellung, die zum Urteil sowie dem Artikel führte.
Wartetaktik zum VVA-Verschweigen funktioniert nicht
Die wichtige Warnung vorab: Die VVG-Verjährung für eine Arglistanfechtung beträgt exakt zehn Jahre, Tag genau gerechnet.[1]
Davon unberührt ist die BGB-Verjährung,[2] die bis zu dreißig Jahre plus 364 Tage betragen kann,[3] regelmäßig verjährungsbeginnend zum Ende des Jahres, wo der Anspruch entstanden ist.[4] Wartet ein Versicherter nun taktisch, ist dies Rechtsmissbrauch, da dem Versicherer gezielt das Recht zur Arglistanfechtung – eigentlich nur 10 Jahre gem. §124 III BGB – durch ein etwaiges Warten entzogen wurde.[5] Damit ist die Verjährungsfrist praktisch endlos!
Zwar ist der Versicherer hier in der Beweislast, doch können die äußeren Umstände verräterisch sein, etwa weil unmittelbar nach Ablauf der VVG-Verjährung eine Leistung geltend gemacht wird, deren grundlegender Anspruch schon vorher bekannt war.[6]
Rechtsquellen dieses Abschnitts
[1] §21 III VVG Ausübung der Rechte des Versicherers https://www.gesetze-im-internet.de/vvg_2008/__21.html
[2] §123 I BGB Anfechtbarkeit wegen Täuschung oder Drohung https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__123.html
[3] §199 BGB Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist und Verjährungshöchstfristen https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__199.html
[4] §195 BGB Regelmäßige Verjährungsfrist https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__195.html
[5] §242 BGB Leistung nach Treu und Glauben https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__242.html
[6] 2024-12-17 OLG Braunschweig – Vereitelung des Anfechtungsrechts lässt Leistungsanspruch entfallen https://oberlandesgericht-braunschweig.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/presseinformationen/vereitelung-des-anfechtungsrechts-lasst-leistungsanspruch-entfallen-238143.html
Prüfschemata der VVA-Matrizen
VVA-Matrix VVG
Anbei die VVA-Matrix des VVG zur Erinnerung. Man muss bedenken, dass dies eben nicht (!) die abschließende Prüfung im Falle einer VVA ist!
VVA-Matrix BGB
Anbei die Folgeprüfung im BGB, wenn die Versicherung keine Rechtsfolgen aus dem VVG einleiten konnte.
Man steinige mich bitte nicht dafür, dass ich aus Gründen der Übersichtlichkeit ein paar Vereinfachungen vorgenommen habe, da die Grafik sonst unleserlich ausgeufert wäre.
VVA-Matrizen Gegenüberstellung VVG und BGB
Anbei der Ablauf der Gesamtprüfung einer VVA nach VVG und BGB.
Die Vorgeschichte: ein dummer Polizist!
Ein Polizist hatte eine Berufsunfähigkeits- bzw. Dienstunfähigkeitsversicherung. Genau genommen zwei. Bei einer hat er die Leistung beantragt, bei einer nicht. Beim anderen Vertrag – wo er Falschangaben zu den Gesundheitsdaten gemacht hat – wartete er trotz bekannten Leistungsfalls bis drei Tage nach Ablauf der VVG-Verjährungsfrist.
Die Versicherung hat ihn dadurch überführt, dass nachweisbar war, dass er bei dem anderen Vertrag nicht gewartet, sondern die Leistung unmittelbar angemeldet hat. Dass er „zufällig“ statt bewusst bis Ablauf der Verjährung gewartet hat, wollte das Gericht nicht glauben. Sein taktisches Vorgehen wurde als bewusste Täuschung gewertet, welche der Versicherung die Rechtsausübung verwehren sollte.
Zwar scheidet eine Arglistanfechtung aus, aber Leistung gibt es dennoch keine. Zu Recht, denn Betrüger sind nicht schützenswert, da es die ehrlichen Versicherten zahlen!
Weitere Hintergründe zu dem VVA-Fall gibt es online bei LTO.
tl;dr Flip-Boxes zum schnellen Nachschlagen
Was sind lex generalis und specialis?
Die Antwort steht auf der RückseiteFür die Krankenversicherungen gilt, dass Gesetze (z. B. das BGB) das allgemeine Recht sind und durch Spezialvorschriften (z. B. VVG, VAG, KVAV etc.) ergänzt werden. Die Tarifbedingungen würden dann in abgestufter Folge beim lex specialis unter den Spezialvorschriften stehen.
Wie lang ist die Verjährung im VVG?
Die Antwort steht auf der Rückseite(3) Die Rechte des Versicherers nach § 19 Abs. 2 bis 4 erlöschen nach Ablauf von fünf Jahren nach Vertragsschluss; dies gilt nicht für Versicherungsfälle, die vor Ablauf dieser Frist eingetreten sind. Hat der Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht vorsätzlich oder arglistig verletzt, beläuft sich die Frist auf zehn Jahre.
Wie lang ist die Verjährung im BGB?
Die Antwort steht auf der RückseiteWie lang ist die Verjährung der Arglistanfechtung im BGB?
Die Antwort steht auf der RückseiteBürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 124 Anfechtungsfrist
(1) Die Anfechtung einer nach § 123 anfechtbaren Willenserklärung kann nur binnen Jahresfrist erfolgen.(2) Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt, im Falle der Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.(3) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.
Wann verjährt eine VVA denn nun?
Die Antwort steht auf der RückseiteIm schlechtesten allgemeinen Fall erst 30 Jahre zum Ende des Jahres, wo der Anspruch entstanden ist, weil das allgemeine Recht die längere Frist hat, welche nicht durch das VVG eingeschränkt wird.
Im rechtsmissbräuchlichen Fall ist eine endlos lange Verjährungsfrist denkbar!
Die Mär, dass ein lügender Versicherungsnehmer nach zehn Jahren den Kopf aus der Schlinge hätte, ist eine fahrlässige Aussage, die einigen sehr teuer auf die Füße fallen könnte.
Lügen haben kurze Beine!
Und die Moral von der G’schicht?
Lügen lohnt sich nicht! Natürlich gibt es Grenzfälle, wo man etwas riskieren kann, weil die Rechtsfolgen erträglich sind. Aber Erstens sollte man nicht lügen und zum anderen muss man dann klüger vorgehen, als der Polizist aus diesem Fall.
An einer sauberen Risikovoranfrage (RVA) samt Aufarbeitung der Gesundheitsdaten inklusive Ausschreibung führt kein Weg vorbei. So kann ein sicherer PKV- oder BU-Vertrag zu Stande kommen, wo man sich nicht um Themen wie Verjährung scheren muss. Darauf weisen auch seriöse Kollegen (z. B. Bernd Kraus vom Versicherungsladen) hin, die vor der falschen Sicherheit der zehn Jahre Verjährung warnen.
Wer eine gute Beratung zur privaten Krankenversicherung PKV will, bucht am besten einen Termin bei mir.
Wer eine gute Beratung zur Berufsunfähigkeitsversicherung will, bucht bitte bei meinem auf BU spezialisierten Kollegen Torsten Breitag. Hilfsweise bei Benjamin Friedrich, der für Torsten die Spitzen auffängt, wenn die Termindichte zu hoch wird.
PS. Ja, ich weiß dass der hiesige Fall sich um die BU-Versicherung drehte. Aber es kann 1:1 auf die PKV übertragen werden. Nur werden da noch weniger Leute die jetzt mindestens zehn Jahre durchstehen, bis ein Leistungsfall eintritt…