Mythen und urbane Legenden über die PKV
Leider gibt es viele Mythen und Halbwahrheiten, die verbreitet werden. Dieses FAQ ist ein verkürzter Auszug aus der gleichnamigen Seite zum Bilanzkennzahlen-Voodoo.
Mythos Bilanzkennzahlen-Voodoo und Ratings
Kennzahlen sind eine Momentaufnahme über die wirtschaftliche Gesamtlage einer PKV, die kaum Aussagen für die Zukunft ermöglichen, zumal die Erstellung, Bewertung & Interpretation nicht einheitlich erfolgt. Dies gilt insbesondere für den internationalen Standard IFRS-17, der sehr große Ermessensspielräume beinhaltet und bestimmte Geschäftsmodelle schwer darstellbar macht.[1] Da es keinen einheitlichen Standard gibt, sind bestimmte Kennzahlen stark Fehler anfällig, zumal VUs diese einfach anders berechnen können, um besser dazustehen. Dies gilt besonders für die Kapitalanlagen.[2] Daher gilt, dass auf Basis von Kennzahlen keine Auskünfte zu Tarifentwicklungen getroffen werden können![3]
Selbst Standardformeln können überholt sein, da sie die Realität nicht widerspiegeln oder aufgrund ihrer pauschalen Vorgaben nicht auf das zu prüfende Unternehmen passen, welches ggf. ein von der Standformel abweichendes Risikoprofil hat.[4]
Welche Rating-Arten existieren?
Außerdem müsste geprüft werden, ob es ein pi rating (public information rating) ist, welches ohne Auftrag sowie ohne Freigabevorbehalte der untersuchten Firma erstellt wurde. Diese halbwegs neutralen Ratings spielen in der Praxis keine Rolle mehr, weil die großen internationalen Ratingagenturen diese Leistung eingestellt haben.[5] Stattdessen zahlen die Versicherungen seit geraumer Zeit lieber hohe Summen für sog. interaktive Ratings, denn hier gibt es Vetorechte, welche die Veröffentlichung sowie unerwünschte Ergebnisse verhindern. Nahezu alle Rückversicherer gehen so vor. Ein Vorgehen, was erklärungsbedürftig ist.[6] Schlimmer ist nur, dass Produkt-Ratings nicht unter die EU-Rating-Verordnung fallen, womit typische Vergleichssoftware wie Franke & Bornberg, Morgen & Morgen etc. nicht erfasst werden. Somit gilt, dass weder Rating gleich Rating ist noch Ratingagentur gleich Ratingagentur.[7]
In der Praxis kommt es vor, dass Siegel verkauft werden, welche irreführend sind, weil sie den Eindruck erwecken, dass es sich um geprüfte Leistungen handelt, die bestimmten Qualitätskriterien unterliegen würden, obwohl sie lediglich gegen Lizenzgebühr an die Dienstleister verkauft werden, z. B. Siegel wie „FOCUS-Empfehlung“. Die Aufmachung als Prüfsiegel sowie die werbliche Verwendung ist irreführend.[8]
Rating-Agenturen bestätigen die eigene Sinnlosigkeit
Wie auch bei den Ratings für Finanzinstrumente gilt, dass es höchst subjektiv sowie fehleranfällig ist. So untersuchten beispielsweise der Map-Report (09.08.2021),[9] Morgen & Morgen (09.08.2021)[10] sowie Ascore (08.10.2021)[11] zeitnah die gleichen Kennzahlen. Sie kamen auf völlig unterschiedliche Ergebnisse, was u. a. an der uneinheitlichen Datenbasis liegt, was die Auswahl der Versicherungen, der Kennzahlen sowie deren Interpretation anbelangt.[12] Und wer von diesen „hat Recht“? Natürlich niemand! Selbst der PKV-Verband warnt in seinen Erläuterungen zum Kennzahlenkatalog davor, dass die Kennzahlen uneinheitlich, unvollständig, fehleranfällig sowie von nicht quantifizierbaren Faktoren abhängen. Sie liefern keine ohne Weiteres ableitbaren Erkenntnisse für die Zukunft![13]
Auch haben einzelne Kennzahlen keine Aussagekraft, zumal es Gestaltungsspielräume gibt. Gleiches gilt für darauf basierende Kennzahlen, weshalb beispielsweise die Solvabilitätsberechnung keine Auskunft über die kurzfristige Ertragslage ermöglicht.[14] Krankenversicherungen haben eine deutlich abweichende Gliederung der Bilanz (eigentlich §266 HGB) sowie der Gewinn- und Verlustrechnung (eigentlich §275 HGB), beispielsweise weil sie bestimmte Posten saldieren dürfen.[15]
Selbst die Urheber von Bilanzkennzahlen-Ratings, etwa das Analysehaus Franke & Bornberg mit seinem map-report,[16] geben zu, dass die Verwertung von Bilanzkennzahlen kaum eine Aussagekraft hat:
„Die Analyse und Bewertung von Bilanzkennzahlen erlaubt aber keine Rückschlüsse auf Service, Beratung, Betreuung oder Beitragsentwicklung.“ [17]
Fachmagazine warnen davor, dass Vermittler Ratings etc. in ihre Beratung einfließen lassen, denn:
- es handelt sich um subjektive Einschätzungen, die nicht verbindlich sind.
- einen Rechtsanspruch kann man aus Ratings nicht ableiten.
Dies macht Ratings zur Entscheidungsgrundlage unbrauchbar.[18] Daher sollte der Verbraucher sich nicht davon blenden lassen.
Beispiele für unsinnige Bilanzkennzahlenauswertung
Anbei Beispiele, warum Kennzahlen für den Verbraucher kaum einen Wert haben.
- Beispiel Bestandsprovision für die Vertragsbetreuung: Diese Kosten finden sich nicht in den berücksichtigungsfähigen Zuschlägen, die Abschlusskosten aber schon.[19] Handelt es sich um eine Abschlussprovision oder wird es – damit die Kennzahl schöner aussieht – als Aufbauzuschuss aus den Verwaltungsgeldern als getarnte Abschlussprovision gezahlt?[20] Eine kreative Buchführung ist möglich, branchenintern auch Verschiebebahnhof genannt.
- Beispiel Beitragsanpassungen der Vergangenheit: Nicht nur, dass jeder Tarif einer jeden Kohorte einzeln betrachtet werden muss. Was sagt die durchschnittliche Beitragsanpassung über Ihren Tarif? Nicht viel! Vergleichen Sie dazu die BAP der Central[21] (die mittlerweile Generali[22] heißt) aus 2013, dem schlechtesten Jahr der Firmengeschichte. Die Central wird von vielen Marktteilnehmern schlecht gemacht wird, weil sie nicht mehr mit freien Vermittlern arbeitet, sondern mit einem als bestenfalls fragwürdig zu bezeichnendem Vertrieb, der deutschen Vermögensberatung (DVAG). Aber seit dem o. g. großen Aderlass sind auch deren Kennzahlen wieder marktüblich. Selbst innerhalb der gleichen Tarifserie gibt es große Unterschiede, so dass eine einzelne Kennzahl keine Aussagekraft hat.
- Beispiel Zahlungsfähigkeit der Versicherungen bei unvorhergesehenen Ereignissen: Die Basis-SCR-Quote soll die Zahlungsfähigkeit von Versicherungen unter Extremszenarien ausdrücken.[23] Schaut man sich die 2018er Zahlen der PKV an, liegen alle über 100%, der schlechteste (!) Vollversicherer bei 300%. Die besseren liegen bei bis zu 1000%. Der beste Anbieter wäre die Ottonova mit ca. 2000%,[24] weil diese als Neugründung keine kranken Altbestände hat, die im Rahmen der Szenarioanalyse negativ zu Buche schlagen. Die Stress-Szenarien sind dabei fragwürdig. Durch Solvency-Vorgaben sind die Aktienquoten niedrig, womit der Kurseinbruch geringe Auswirkungen hat. Da Krankenversicherung künftige Beitragssteigerungen nicht bepreisen und Großschäden „kupieren“ (mathematisches Verfahren zur Begrenzung extremer Kosten), sind die Auswirkungen von Epidemien, Massenunfällen oder Katastrophen auch fragwürdig.[25] Mit den Informationen ist daher wenig anzufangen.
- Beispiel Alterungsrückstellungen: Die PKV darf die Summe der Alterungsrückstellungen in der Bilanz mit null werten, obwohl sie in der Praxis negativ ist.[26] Alternativ kann das arithmetische Mittel der Einzelalterungsrückstellungen für gerundete Versicherungsjahre via Näherungsverfahren verwendet werden.[27] Damit ist die Transparenz bei stark wachsenden PKVU sowie bei jungen PKVU nicht gegeben.
- Beispiel RfB: Eine Senkung der Alterungsrückstellungen wird als Ertrag bezeichnet, eine Erhöhung hingegen als Aufwendung.[28] Durch geschickte Wortwahl kann so ein falsches Bild erzeugt werden, denn folgende Formulierung klingt umgangssprachlich gut, ist aber fachsprachlich schlecht, wenn man die o. g. Benennungen kennt: „Wir haben die Erträge bei den Alterungsrückstellungen erhöht sowie gleichzeitig die Aufwendungen reduziert.“ Effektiv besagt dieser Satz, dass weniger Alterungsrückstellungen vorhanden sind.
Das Thema Kennzahlen ist so komplex, dass bestenfalls Wirtschaftsprüfer sowie Bilanzbuchhalter gewisse Aussagen treffen sollten. Diese lassen aber keine relevanten Rückschlüsse auf Tarife zu! Vergleichen Sie dazu die Ergebnisentstehung sowie -verwendung, wie Sie im Kennzahlenkatalog der PKV[29] steht. Selbst wenn Sie alle Kennzahlen kennen würden, wüssten Sie nicht wie diese im Wettbewerb einzuordnen sind, noch könnten Sie diese in Relation zu Ausgaben, zur Tarifkalkulation o. Ä. setzen. Versuchen Sie beispielsweise die Ergebnisentstehung und -verwendung ins Verhältnis zu den dort abgebildeten Kennzahlen zu setzen.
Grafik – PKV Verband – Kennzahlenkatalog der PKV S3[30]
Außerdem wären für eine Bewertung eine Vielzahl hochsensibler Angaben notwendig, die nicht an die Vermittler gelangen, weil sie direkt über das MVP-Portal der BaFin[31] intern gemeldet werden. Gleiches gilt für diverse andere Kennzahlen, etwa der Rentabilität bestimmter Kundenportfolios, da die PKVU unter dem Deckmantel des Europa- sowie Kartellrechts diverse Angaben – bspw. zu Prämiensätzen – nicht veröffentlichen müssen bzw. dürfen.[32]
Augenscheinlich logische Folgerungen müssen nicht richtig sein. So würden die meisten Menschen vermuten, dass eine hohe Eigenkapitalquote zwingend besser ist. Doch ist diese aus versteuerten Mitteln erkauft, während sie als RfB-Zuführung dem Versicherten steuermindernd zugutegekommen wäre.
Eine höhere RfB-Zuführungsquote würde gemeinhin als besser gelten, oder nicht? Setzen aber zwei PKVU exakt gleich viel RfB-Mittel ein, so hat das PKVU eine niedrigere RfB, welches die Gelder früher (zu Gunsten des Versicherten) einsetzt, weil die Quote im zeitlichen Ablauf berücksichtigt wird.
Die Abschlusskostenquote ist nicht Aussage kräftig, weil auf die Bestandsgröße statt auf den Neugeschäftsbeitrag bezogen.
Die Nettoverzinsung ist ebenfalls wenig aussagekräftig, weil das PKVU die Höhe in Grenzen steuern kann.
Die Vorsorge-Quote, gemeint ist die vermeintliche Zuführung zu den Alterungsrückstellungen in der Ansparphase, ist unbrauchbar, wenn unklar ist, zu welchen Bedingungen die Absparphase läuft.[33]
Solvenzquoten (z. B. SCR oder MCR) sind steuerbar. Beispielsweise gilt für die ökonomische Bilanz nicht das strenge Niederstwertprinzip, sondern die Posten werden „mit dem Betrag bewertet, zu dem sie zwischen sachverständigen, vertragswilligen und voneinander unabhängigen Geschäftspartnern getauscht werden könnten.“[34] Zur Verdeutlichung wurden die wichtigen Worte fett markiert. Oder in platt: Der Buchwert einer Aktivposition entspricht nicht unbedingt dem Marktwert,[35] z. B. abgeschriebene Immobilien mit 1€-Buchwert.
Dabei werden Auf- und Abzinsungen mittels sog. inflationsneutralen Bewertungsverfahren (INBV) durchgeführt, wobei die Höhe oder Berechnung der Inflation nicht im Gesetz konkretisiert wird.[36] Die Details zur INBV stehen in der „Beschreibung der Methoden zur Ermittlung der inflationsneutralen Bewertung in der PKV“. Dessen Inhalte sind nicht öffentlich und werden vom PKV-Verband ausschließlich seinen Mitgliedsunternehmen zur Verfügung gestellt.[37] Dem Autor gelang es bislang nicht eine Kopie zu erhalten. Anfragen an die BaFin, wie das überhaupt sein kann, blieben unbeantwortet.
Finger weg von Bilanzkennzahlen-Voodoo
Wenn ein Berater mit Kennzahlen-Voodoo anfängt, ist er mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Aufschneider. Lassen Sie sich nicht darauf ein, sondern suchen Sie sich einen qualifizierten Berater! Sie können lediglich sagen, dass eine PKV heute gute Kennzahlen im Vergleich zum Rest des Marktes hat. Das allein genügt nicht für eine Vermittlungsempfehlung. Im Umkehrschluss hilft es nicht sonderlich zu wissen, dass die Bilanzkennzahlen einer PKV schlecht sind, wenn der Tarif auf Sie passt. Was ist Ihnen wichtiger, der passende Tarif oder die handelsrechtlich gute Außendarstellung? Sie dürfen auf beides Wert legen, versteifen Sie sich aber nicht auf Kennzahlen. Auch die Rechtsprechung stuft derartige Ratings regelmäßig als unlauter ein, weil sie dem Betrachter keine vollständige, von Interessenkonflikten befreite Beurteilung erlaubt.[38] Außerdem gibt es das Problem der Einflussnahme, nicht nur durch Tarifoptimierung in Hinblick auf Ratings, sondern dass einige Versicherungen direkt Ratings kaufen, wenn deren Ergebnisse ihnen nicht gefällt.[39]
Kennzahlen-Voodoo ist für Wirtschaftsprüfer und nicht für Vermittler, denn Sie dient in erster Linie der Information der Kapitalanleger und Vorstände und nicht der Kundenberatung.
Interessierte Leser können viele Kennzahlen kostenfrei beim PKV-Verband einsehen: https://www.pkv-zahlenportal.de/werte/2008/2018/12
Die Lehmann-Brothers-Pleite[40] – welcher die Finanzkrise 2008 ausgelöst hat und bei der Corona-Krise fragliche Folgen hatte[41] – verdeutlicht, dass Ratings in Bezug auf Bilanzkennzahlen o. Ä. eine sehr geringe Aussagekraft haben.
Liste aufgekaufter PKVUs trotz unterschiedlicher Ratings
Zwischenzeitlich sind verschiedene PKVUs vom Markt verschwunden, weil sie von Wettbewerbern eingekauft wurden, teils weil sie wirtschaftlich nicht tragfähig (z. B. Karstadt Quelle) waren, teils obwohl es Vorzeigeunternehmen waren (z. B. Deutscher Ring).
- Barmenia Versicherungsbank für Mittelstand und Beamte V.a.G. (damals Barmer, heute Barmenia)
- Berlin-Kölnische Versicherung AG[42] (heute Gothaer)
- Deutsche-Krankenversicherungs-Aktien-Gesellschaft zu Berlin (heute DKV)
- Deutschnationalen Krankenversicherungsvereins aG (exklusiver NSDAP-Versicherungspartner, später Deutscher Ring, heute Signal Iduna)[43]
- DBV-Winterthur Holding[44] (heute AXA)
- Deutscher Ring[45] (heute Signal Iduna)
- Iduna Nova VVaG[46] (heute Signal Iduna)
- KarstadtQuelle Versicherung AG[47] (heute Ergo Direkt)
- Mannheimer Versicherungen AG[48] (heute Die Continentale)
- Nationaler Krankenversicherungsverein aG Stuttgart (Sonderfall aus WW2; 2002 aufgelöst)[49]
- Vereinte Versicherung AG[50] (heute Allianz)
- Victoria Versicherungskonzern[51] (heute DKV)
- Volkswohl Krankenunterstützungskasse der Volksheilbewegung (heute Die Continentale)
- Unterstützungsverein für Tabakfabrikarbeiter (heute Universa)
Kein Marktteilnehmer hat durch entsprechende Kennzahlenauswertung am Wertpapier-Markt an diesen Käufen lukrativ verdient. Kein „Rater“ hat durch entsprechende Wertpapier-Positionen sein „Wissen“ durch Kennzahlenanalyse vergolden können. Es hat schlich keiner vorhergesehen, obgleich mitunter fleißig Ratings verteilt wurden.
Die Verträge von für das Neugeschäft geschlossenen Gesellschaften laufen weiter, beispielsweise die Zahnzusatzversicherungen der CSS AG[52] (Schweiz) oder der Vicuritas AG.[53]
Selbst wenn eine Gesellschaft nicht gekauft würde, so gäbe es die Medicator AG, die als Auffanggesellschaft vom PKV-Verband gegründet wurde. Ausgestattet mit gesetzlichen Sicherungsmitteln sowie einem Haftungskapital von 1.000.000.000€ würde die Medicator AG kurzfristig die Verträge übernehmen, fortführen, Forderungen begleichen sowie auf andere PKV umverteilen.[54]
Vermutlich würde der Run-Off (d. h. die Abwicklung inklusive Neugeschäftseinstellung) für eine Krankenversicherung genau so laufen, wie bei der Lebensversicherung. Die BaFin prüft, bevor die Zustimmung zum Run-Off erteilt wird, womit die sichere Vertragsfortführung gewährleistet ist. Der Vertrag dann unter Wahrung aller Rechte fortgeführt. Lediglich neue Optionen kommen nicht hinzu. Der Ursprungsvermittler bekommt ggf. keine Courtagen mehr.[55] Wissen tut das jedoch niemand, weil dieser Fall noch nie für eine substitutive Krankenversicherung in Deutschland vorgekommen ist!
§204 VVG – Wer verkauft wird, hat mehr Wechselmöglichkeiten
Wichtig ist, dass bei alle diesen Versicherungen die Verträge der Kunden fortgeführt wurden. Durch den Tarifwechsel nach §204 VVG entstanden vielen Bestandskunden sogar Vorteile, weil sie in andere Kollektive wechseln können, die Ihnen vorher nicht zugänglich waren. Beispielsweise können ehemalige Victoria-Kunden in alle Tarife der DKV sowie Tarif derer zugekauften Unternehmen wechseln. Mathematisch wird dies durch das sog. Bestandserweiterungsmodell gelöst, welches u. a. für den Fall der Unternehmensverschmelzung entwickelt wurde und auch für die Paralleltarife von bisex zu unisex verwendet wird. Dabei kann eine sofortige als auch eine stückweise Verschmelzung vorgenommen werden.[56]
So könnte beispielsweise ein Altversicherter eines alten, schadenträchtigen Kollektivs in ein junges Neukollektiv wechseln. Damit hätte der Altversicherte den Beitragsvorteil des ausfinanzierten schadenträchtigen Kollektivs ins Neukollektiv mitgenommen, also deren kollektive Alterungsrückstellungen zu seinen Gunsten gemindert, profitiert aber von der niedrigeren Grundprämie des Neukollektives. Dieses wiederum muss einen „alten Sack“ finanzieren, womit der Vorteil des „alten Sacks“ zum Finanzierungsnachteil des Jungkollektivs wird.[57]
Persönliche Anmerkungen von Walter Benda
Was haben die Bilanzkennzahlen eines Autokonzerns mit meinem konkreten Auto zu tun? Was sagt der Durchschnittspreis einer Villa in Manhattan über die Kosten meiner Hütte in der tiefsten Eifel? Was interessieren die Durchschnittskosten eines Alienware-Gaming-Laptops, wenn ich einen günstigen Büro-PC benötige?
Naturgemäß behaupten Ratingunternehmen, deren Geschäftsmodell Kennzahlen-Voodoo ist, das Gegenteil,[58] nämlich dass es eine seriöse Wissenschaft sei.
Bis heute bleiben sie eine verbindliche Vorlage schuldig, wie denn eine haftungssichere Bilanzkennzahlenauswertung die Beratung beeinflussen müsste. Auch haben Sie keine DIN o. Ä. entwickelt, auf Basis derer ein Beratungsprozess stattfinden kann. Jedwede verbindliche Norm oder Handlungsvorlage wird vermieden, um die eigene Haftung zu vermeiden. Aber deren Auswertungen, Ratings o. Ä. sind furchtbar, furchtbar wichtig…
Auch gibt es keine Urteile, wo ein Vermittler aufgrund von Kennzahlenanalyse verurteilt wurde.
Es wird versucht eine hochkomplexe Fake-Relevanz aufzubauen! Kümmern Sie sich um die wichtigen Themen und lassen Sie sich nicht von so einem Unfug blenden!
Anekdote: Ein Wettbewerber, der u. a. meine Aussagen sowie mein Buch wegen des wissenschaftlichen Ansatzes in seinen Webinaren/Seminaren kritisierte, musste jetzt zurückrudern und zugeben, dass die Tarifqualität entscheidend ist und nicht das Bilanzkennzahlen-Voodoo. Ironie, dass ein signifikanter Teil seines Geschäftsmodells auf Voodoo aufbaut, denn er verwendet es wieder als „Argument“ im gleichen Artikel, wo schon die Überschrift lautet: „PKV: Produktqualität hängt nicht von Kennzahlen ab, sondern von den Tarifinhalten“[59] Aber wenn ein vermeintliches „Fachmagazin“ selbst PKV-Schießbuden wie der Mecklenburgischen[60] oder Provinzial Kranken[61] den Status Outperformer verleiht, was dieses Schmierblatt nach Kenntnis des Autors bislang bei 100% seiner „geprüften“ Versicherungen tat, wundert mich gar nichts mehr…
- 2020-04 DAV e. V. Aktuar Aktuell – Ausgabe 49 S. 11 https://aktuar.de/politik-und-presse/aktuar-aktuell/Documents/Aktuar%20Aktuell%20Nr.49.pdf ↑
- 2022-10-07 Infinma – Geschäftsberichte deutscher Lebensversicherer – Infinma 9/2022 S.8-9 ↑
- 2020-09 DAV e. V. Aktuar Aktuell – Ausgabe 51 S. 11 https://aktuar.de/politik-und-presse/aktuar-aktuell/Documents/Aktuar%20Aktuell%20Nr.51.pdf ↑
- 2018-03 DAV Aktuar Aktuell – Ausgabe 41 – S. 6 & 7 https://aktuar.de/politik-und-presse/aktuar-aktuell/Documents/Aktuar%20Aktuell%20Nr.41.pdf ↑
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- 2022-08-09 VersicherungsJournal.de – Zehn private Krankenversicherer schwächeln https://www.versicherungsjournal.de/versicherungen-und-finanzen/zehn-private-krankenversicherer-schwaecheln-142913.php ↑
- 2021-10-08 VersicherungsJournal.de – Fünf private Krankenversicherer mit der Bestnote https://www.versicherungsjournal.de/markt-und-politik/fuenf-private-krankenversicherer-mit-der-bestnote-143171.php ↑
- 2022-02-21 VersicherungsJournal.de – Die besten privaten Krankenversicherer im IVFP-Rating https://www.versicherungsjournal.de/versicherungen-und-finanzen/die-besten-privaten-krankenversicherer-im-ivfp-rating-144189.php?vc=rss_artikel&vk=144189 ↑
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- „ohne Datum“, Aufruf 16.06.2020 CSS-Kranken-Versicherung AG https://www.css.ch/de/privatkunden.html ↑
- „ohne Datum“, Aufruf 16.06.2020 Vicuritas AG https://vicuritas.de/ ↑
- 2018-02-09 Gabler Wirtschaftslexikon – Medicator AG https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/medicator-ag-40835/version-264211 ↑
- 2023-03-08 VVP – So wirkt sich der Run-off eines Versicherers auf Versicherungsmakler und ihre Kunden aus https://www.iww.de/vvp/maklerrecht/run-off-so-wirkt-sich-der-run-off-eines-versicherers-auf-versicherungsmakler-und-ihre-kunden-aus-f152098 ↑
- 2021-06-23 Deutsche Aktuarvereinigung e. V. – Berücksichtigung der Selektionswirkung in der Erst- und Nachkalkulation in der privaten Krankenversicherung – S. 37-38 ↑
- 2016 Hartmut Milbrodt, Volker Röhrs – Aktuarielle Methoden der deutschen Privaten Krankenversicherung –ISSN 1864-3779 ISBN 978-3-89952-610-3 – S. 368 ↑
- 2020-08-31 procontra – PKV: Was Beratern die Finanzstärke sagen sollte https://www.procontra-online.de/artikel/date/2020/08/pkv-was-beratern-die-bilanzstaerke-sagen-sollte/?utm_source=procontra+Newsletter&utm_campaign=db572d0b4d-Newsletter_procontra_KW19-01_COPY_01&utm_medium=email&utm_term=0_f0c7f74b85-db572d0b4d-101366929 ↑
- 2022-10 Versicherungsbote – PKV: Produktqualität hängt nicht von Kennzahlen ab, sondern von den Tarifinhalten – S. 36-37 ↑
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