Mythen zu Versicherungsprämien

Mythos Kassen-Flucht mit 55

Dass die PKV im Alter nicht bezahlbar sei, ist hinreichend widerlegt. Und tatsächlich verlasen durchschnittlich weniger als 2,5% der Versicherten die PKV vor dem 55. Lebensjahr, wobei hier Stornierungen aufgrund von Tod inklusive sind, welche über die Hälfte der Abgänge aller Altersklassen bis 55 ausmachen.

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Grafik 126 – BaFin Wahrscheinlichkeitstafeln PKV 2018 – Ausscheidewahrscheinlichkeiten 2018[1]

Von einer Flucht oder Rückkehrwelle kann keine Rede sein. Klar erkennbar ist, dass die PKV ein lebenslanges Modell ist. Dieses muss aber finanziert sein, weshalb Einkommensprobleme der Hauptbewegunggrund für eine GKV-Rückkehr sind. Betroffen sind deutlich mehr Frauen als Männer, denn diese haben idR niedrigere Altersrenten. In der Mehrheit der Fälle handelt es sich zudem um Selbstständige, die wirtschaftlich nicht erfolgreich waren. Abweichend von dem linearen Trend wechseln nur 0,1% mehr PKV-Versicherte zum 55. LJ zurück in die GKV.

Die beiden Knicke am Anfang sind jeweils auf das Ende der Kinder- (21 J.) bzw. Ausbildungstarife (21 J. bis 39 J.) zurückzuführen, nach denen meist eine Pflichtversicherung einsetzt.

Die erhöhten Ausscheidezahlen ab dem 70. LJ sind durch Ableben begründet.

Eine Rückkehr in die Krankenkasse kann wegen der 9/10-Regel der KVdR sogar ein Nachteil sein! Mehr dazu erfahren Sie im Kapital KVdR.

Für die verbleibenden PKV-Kunden sind diese Rückkehrer sogar ein Segen, denn nicht nur führen Sie nicht zu erhöhten Kosten im Alter, welche in der GKV solidarisiert werden, sondern sie vererben die bisher aufgebauten Rückstellungen. Ein Absenken der Stornowahrscheinlichkeiten hätte sogar eine Erhöhung der Prämien zur Folge.[2] Etwas, an dem die PKV kein grundlegendes Interesse hat.

Mythos PKV lohnt nur für junge Kunden

Es ist ein Gerücht, dass sich die PKV nur für junge Kunden „lohnen“ würde, zumal unklar ist, was der Einzelne unter lohnend versteht. Aufgrund des kalkulatorischen Aufbaus kann man schlussfolgern, dass es für junge Kunden einfacher ist die notwendigen Rückstellungen aufzubauen und noch Budget übrig ist, um zusätzliche BET zu kaufen. Aber auch für ältere Versicherte gibt es eine Äquivalenzgleichung, welche einen Ansparprozess für das Alter beinhaltet. Wer später einsteigt, muss auch weniger sparen, da er durch die erhöhten Beiträge den fehlenden Ansparprozess teilweise nachholt und die Versicherung weniger lang mit dem Geld auskommen muss, da er eine kürzere Lebenserwartung hat. Außerdem wird er anteilig bereits von der Vererbung jener profitieren, welche in die GKV zurückgewechselt sind. Die Aussage, dass man mit einem späteren Einstieg unbezahlbare Prämien provoziert, ist pauschal nicht korrekt. Ein höheres Eintrittsalter erfordert mehr Abwägung und bedingt oft überproportional höhere Prämien. So kostet ein 70J. alter Versicherter ca. das Doppelte dessen, was ein 40J alter Versicherter kostet, wobei die Unterschiede bei manchen PKVUs noch größer sein können.

Ob man mit 20, 35 oder 50 in die PKV eintritt, eine Normalannahme nach den Gesundheitsfragen vorausgesetzt, macht in Bezug auf die Sparleistung und die Prämien einen Unterschied, taugt aber als Pauschalaussage nichts, da es ohne andere Faktoren unsubstantiiert ist. Vgl. Sie dazu den Anteil der Alterungsrückstellungen der o. g. Altersklassen unter sonst gleichen Tarifbedingungen.

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Grafik 127 – Gezillmerte Alterungsrückstellungen für drei Altersklassen[3]

Ohne weitere Parameter ist die Aussage zur den Alterungsrückstellungen unsubstantiiert. Natürlich bildet ein älterer Versicherter anteilig weniger Rückstellungen, aber er benötigt auch weniger. Wie sich das am Ende auf die langfristige (!) Prämie auswirkt, ist eine Frage an die Glaskugel, denn das Risiko für eine Fehleinschätzung des PKVUs ist immer gegeben, unabhängig vom Eintrittsalter. Die Altersabhängigkeit der Kopfschäden ist hierbei der treibende Faktor. Sprich je näher ein Versicherter an den durchschnittlich teuren Jahrgängen dran ist, umso eher würde die PKV sehr teuer.

Auch die Vorversicherungszeit des Versicherten spielen keine Rolle, denn die Alterungsrückstellungen werden Stichtag bezogen auf das Alter als Gesamtwert berechnet.[4] Wann ein Versicherter beigetreten ist, ist sekundär, da die Frage nur ist, wie lange er bleibt und was dieser kosten wird!

Der logische Rückschluss ist, dass die PKV für junge Kunden ein No-Brainer ist, während mit zunehmendem Alter die monetäre Abwägung mit spitzerem Bleistift gerechnet werden muss, falls man trotz Gesundheitsfragen einen Normalzugang zur PKV hat.

Mythos Auslandsversicherung günstiger als GKV oder PKV

Völlig egal wie gut der Vertrag ist oder wie viel Sie zahlen, Ihr Krankenversicherungsvertrag muss die Pflicht zur substitutiven Krankenversicherung erfüllen. Wenn Sie eine sehr günstige Auslandsversicherung haben, z. B. via Care Concept,[5] BDAE,[6] Mawista[7], Dr. Walter[8] etc., liegt es daran, dass keine dieser „günstigen“ Auslandsversicherungen die Pflicht zur substitutiven Krankenversicherung in Deutschland erfüllt. Selbst wenn es einige Monate gutgehen sollte, erhalten Sie spätestens bei der Anschlussversicherung schwere Probleme oder wenn ein Nachweis gefordert wird, beispielsweise von der Universität, dem Arbeitgeber oder einem Amt. Gleiches gilt für die Europäischen Krankenversicherungen (EUKV), die ebenfalls nicht die Pflicht zur substitutiven KV erfüllen.[9]

Das „günstiger“ ist zudem relativ zu sehen, da keine Ansparleistung für später erbracht wird, die Verträge begrenzte Laufzeiten haben und die Versicherung oft ein Kündigungsrecht hat.

Mythos Beitragsstabilität durch hohe Selbstbeteiligung

Es kursiert die Vertriebslüge, dass Tarife mit hoher Selbstbeteiligung beitragsstabiler seien als jene mit geringer Selbstbeteiligung. Behauptet wird, dass ein kostenbewusstes Verhalten, erhöhte Verantwortung und ein besseres Kollektiv vorlägen. Vermeintlich aus Selbstständigen, da diese angeblich seltener zum Arzt gingen und deshalb geringere Kosten verursachen würden.

Beweise für einen solchen Effekt auf lange Zeit gibt es nicht. Bewiesen ist, dass die unterschiedliche Risikomischung aufgrund von Selbstbeteiligung bestenfalls in jungen Jahren wirkt, nicht aber für hohe Alter, wo das Profil steiler wird, sprich die Kopfschäden höher sind. Dies ist ein Autoselektionseffekt. Zusätzlich liegt der Kostenanstieg aufgrund verstärktem Medizinkonsumverhalten bei starren Selbstbehalten höher als die durchschnittliche Teuerung der medizinischen Inflation.[10] Nicht zuletzt hängt der Effekt vom Zufall ab,[11] denn wer bereits im Januar seine Selbstbeteiligung ausgeschöpft hat, wird ein anderes Konsumverhalten an den Tag legen, als wer bis zum Dezember noch leistungsfrei ist.

Dabei gelten Selbstständige schon länger als Risikogruppe in der PKV, da keine automatische Einkommenssicherheit durch den Status erfolgt, anders als bei Beamten oder Arbeitnehmern. Sie tragen auch das höchste Risiko den Schutz zu verlieren und in die Sozialtarife abzurutschen.[12] Tarife mit höherer Selbstbeteiligung steigen aus diversen Gründen sogar stärker an![13] Beispiel:

Grafik 128 – Profile ambulanter Tarife 2015 (BaFin)[14]

Für Frauen zeigt sich die gleiche Entwicklung, auch wenn die Profile etwas flacher verlaufen, d. h. im Verhältnis zu Männern anfangs mehr und später weniger Kosten verursachen.

Dazu eine Grundüberlegung: Alle PKV-Gesellschaften haben im auf lange Sicht im Durchschnitt die gleich kranken, gleich kaputten Kunden, welche gleiche Durchschnittskosten verursachen. Ableiten kann man das u. a. aus Datenbanken der BaFin, z. B. die krawatte.csv.[15] Die BaFin verfasst Ihre tarifunabhängigen Musterstatistiken unter Berücksichtigung der von den privaten Krankenversicherungen gemeldeten Daten.[16] Grundkopfschäden und Bestandsgrößen sind einsehbar.[17] Auch die mathematische Fachliteratur bestätigt, dass eine Segmentierung in gleiche Gruppen erfolgt, weil nur so eine homogene Datenbasis geschaffen wird.[18] Die Bafin muss dabei Daten-Intervalle bilden, um der Vielzahl der verschiedenen PKV-Tarife halbwegs einheitlich darstellen zu können.[19]

Die Versicherungen sind verpflichtet vor Vertragsabschluss dem VN die Beitragsentwicklung der letzten zehn Jahre auszuhändigen.[20] Existiert der Tarif noch nicht lange genug, z. B., weil er neu aufgelegt wurde, müssen Stütztarife zum Vergleich bemüht werden. Auf lange Sicht kommen alle Tarife in ein Alter, wo aus der überwiegenden Ansparphase in die Leistungsphase gegangen wird. Wieso sollte das bei Tarifen anders sein, die eine hohe Selbstbeteiligung haben? Werden diese Menschen nicht älter, nicht kränker?

Und so wie man die kurzfristige Selektionswirkung (idR drei Jahre bis maximal zehn Jahre) der hohen Selbstbeteiligung anerkennen kann, so muss man leider auch anerkennen, dass mit Überschreiten der Selbstbeteiligungsgrenze eine „all-you-can-Arzt“-Mentalität auftritt. Das führt zu einem einfachen Problem: Von der monatlichen Prämie wird ein Teil für die Alterungsrückstellungen vereinnahmt, bei der Selbstbeteiligung ist das nicht möglich. Beide Tarife kommen irgendwann in die Phase, wo von den Ansparungen gezehrt wird, um die Ausgaben zu decken. Nur bei der hohen Selbstbeteiligung wurden trotz gleichen langfristigen Leistungsbedarfs weniger Rückstellungen gebildet! Dazu ein Beispiel zweier identischer, fiktiver Tarife, die sich nur im Jahreszahlbeitrag inklusive Selbstbeteiligung unterscheiden.

Beitrag inkl. Alterungsrückstellungen Selbstbeteiligung %-Anteil Alterungsrückstellungen Anteil Alterungsrückstellungen
Tarif A1 5400€ 600€ 25% 1350€
Tarif A2 4800€ 1200€ 25% 1200€

Theoretische zahlt der Kunde im Tarif mit höherer Selbstbeteiligung anfangs effektiv weniger. Aber mit zunehmendem Alter wird er den Tarif häufiger in Anspruch nehmen, weshalb er dann den gleichen Effektivbeitrag (Prämie + Selbstbeteiligung) zahlt. Das birgt drei Probleme:

  • Die Selbstbeteiligung kann er nicht bei der Steuer ansetzen, den Beitrag schon.
  • Er spart weniger Rückstellungen an, während der gleichzeitig mehr Risiko selbst trägt.
  • Im Alter kann er nur mit Gesundheitsprüfung in eine niedrigere Selbstbeteiligung wechseln.

 

SB-Problem der fehlenden Alterungsrückstellungen

Dazu eine Grafik zur Veranschaulichung, welche den Beitrag inklusive Selbstbeteiligung und Rückstellung auf 100% vergleicht.

Grafik 129 – Sparproblem bei hoher Selbstbeteiligung

Bildlich dargestellt erkennt man schnell, dass man bei Tarifen mit hoher Selbstbeteiligung mehr Risiko (rot) trägt bei gleichzeitig niedrigerer Ansparung von Alterungsrückstellungen (blau). Das ergibt keinen Sinn! Höchstens kurzfristig und zusammen mit einem Optionstarif sollte man Tarife mit hoher Selbstbeteiligung erwägen.

Es sind vor allem fragwürdige Marktteilnehmer, die den Begriff des Großschadentarifs prägen. Weder der Gesetzgeber noch die Tarifkalkulation der DAV[21] nutzen diesen Begriff!

Sollte Ihnen ein Tarif mit hoher Selbstbeteiligung verkauft worden sein, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es unter falschen Versprechen geschah. Sie sollten dies prüfen lassen!

Höhere Beitragsanpassung wegen höherer Selbstbeteiligung

Es ergibt sich nicht nur das Problem der geringeren Alterungsrückstellungen, sondern auch dass der erhöhten Beitragsanpassungen in Relation zum Ursprungsbeitrag.

In der Regel werden alle SB-Stufen eines Tarifes in einem Kollektiv zusammengefasst. Die gestiegenen Kosten werden auf alle Versicherten aller SB-Stufen gleich umgelegt, nicht anteilig nach Höhe der SB. Das führt dazu, dass der Beitragsvorteil durch die höhere SB wegschmilzt, denn ein fixer Betrag in Eurocent hat prozentual eine höhere Auswirkung, wenn von einem ursprünglich niedrigeren Beitrag gestartet wird.

Wechselt ein Versicherter von einem alten Tarif (i) in einen neuen Zieltarif (j), muss das PKVU entscheiden, wie es die den Beitrag (B) berechnet,[22] wozu Sie unten die aktuelle mehrheitlich verwendete Grundlage finden. Aus Gründen des Wettbewerbs wird dabei das Abschlagsverfahren (beitragsmindernde Anrechnung der Alterungsrückstellungen; unterer Beitrag der rechten Seite) angewandt, denn im Zuschlagsverfahren (Neugeschäftsprämie plus Zuschlag für fehlende Alterungsrückstellungen; oberer Beitrag der rechten Seite)[23] könnte es sogar zur Beitragserhöhung kommen, wobei der Grund für einen Wechsel meist die niedrigere Prämie ist.

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Grafik 130 – Unterschiedliche Beitragsänderungsverfahren[24]

Dies bedeutet im Umkehrschluss automatisch, dass durch die bereits heute niedrigeren Alterungsrückstellungen, weil der SB-Tarif weniger aufbaut, das Problem der langfristigen Beitragsanpassung verschärft wird! Wird dabei ein Tarif gewählt, der aktuell aufgrund von Unterkalkulation einen immanenten Sanierungsstau aufweist, verschärft sich dieses Problem überproportional. Ein etwaiger Einsatz von Limitierungsmitteln ändert langfristig nichts an dem grundsätzlichen Problem.

SB-Problem führt zu steuerlichen Nachteilen

Erfolgt eine Betrachtung der o. g. Tarife auf 30 Jahre ohne Beitragsanpassungen oder Erhöhung der Selbstbeteiligung, ergäbe sich folgendes Bild:

Tarif A1 Tarif A2
Gezahlte Prämien (ohne BAP) 162.000€ 144.000€
Angesparte Rückstellungen (3,5% Zins) 071.012€ 063.122€
Differenz Rückstellungen A1:A2 007.890€
Differenz Selbstbeteiligung A1:A2 018.000€
Differenz Prämien A1:A2 18.000€

Die höhere Selbstbeteiligung ist im o. g. Fall also die Wette, ob Sie in 30 Jahren bei einem Risiko von 18.000€ (Differenz der Selbstbeteiligung; in diesem Fall gleichzeitig Prämiendifferenz), einen „Gewinn“ von ca. 10.110€ (Differenz Selbstbeteiligung abzüglich Differenz Rückstellungen) gegenüberstellen wollen. Kein gutes Geschäft!

Wird jetzt noch berücksichtigt, dass die erhöhte Prämie bei der Steuer angesetzt werden kann, due Selbstbeteiligung jedoch nicht, schmilzt der vermeintliche Vorteil noch weiter.

Tarif A1 Tarif A2
Grenzsteuersatz bei 80% steuerlich absetzbarem Anteil 42% 42%
Steuererstattung 068.040€ 060.480€
Prämie nach Steuererstattung 093.960€ 083.520€
Differenz Prämie nach Steuererstattung 010.440€

Die Wette für eine hohe Selbstbeteiligung über 30 Jahre ohne Krankheit lautet also, dass Sie auf 7.890€ gebildete Alterungsrückstellungen verzichten, für einen Prämienvorteil nach Steuern von 10.440€. Chance und Risiko stehen hier in keinem gesunden Verhältnis! Wird die Rentenphase betrachtet, ergibt eine hohe Selbstbeteiligung noch weniger Sinn.

Das Problem verschärft sich zusätzlich, wenn mit der Beitragsrückgewähr geworben wird. Kalkulatorisch ist eine Beitragsrückerstattung wie eine fiktive Selbstbeteiligung zu betrachten. Im Falle der vertraglich zugesicherten Beitragsrückerstattung (auch Pauschalleistung genannt; Kürzel euBR für erfolgsunabhängige Beitragsrückerstattung) gilt sogar, dass die Einsparungen bei den Krankheitskosten immer kleiner sind als die Kosten für die euBR.[25] Dies liegt unter anderem daran, dass der zu finanzierende Beitragszuschlag für diese Leistung altersunabhängig kalkuliert werden muss,[26] was gerade wegen der alternden Personen in einem Tarif wenig Sinn ergibt. D. h. eine vertraglich garantierte, erfolgsunabhängige Beitragsrückerstattung verteuert den Vertrag unnötig, zumal es keinen Ansparprozess für diese Leistung gibt. Vereinzelt kann man dies in den Werbematerialien der Versicherungen zu erkennen:

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Grafik 131 – euBR u. Selbstbeteiligung der ARAG-Tarife[27]

Schön zu erkennen ist, dass die Selbstbeteiligung und die erfolgsunabhängige BRE kalkulatorisch gleich sind und in Summe immer gleichbleiben, in diesem Beispiel 900€ ergebend. Kindern erhalten nur die halbe Pauschalleistung, zahlen jedoch nur die halbe Selbstbeteiligung. Die Umbenennung als Pauschalleistung ändert nichts am Ergebnis. Die dem o. g. Newsletter vorausgegangene Pressemitteilung verschweigt solche Fakten und konzentriert sich ausschließlich auf die vermeintlichen Vorteile, ohne die immanenten Nachteile zu benennen.[28]

In der Regel werden die Auszahlungen der letzten fünf Jahre auf die Versicherten verteilt und mit einem Sicherheitspuffer versehen. Daher profitieren junge Versicherte auf Kosten der alten Versicherten.[29]

Auch die Zahlen aus der Praxis widerlegen das „Argument“ für den hohen Selbstbehalt. In der u. g. Abbildung finden Sie die Kopfschäden für Männer und Frauen aus dem Jahr 2018 mit verschiedenen SB-Stufen von 0-100, 251-400 usw.

Grafik 132 – Kopfschäden 2018 mit verschiedenen SB-Stufen[30]

Die Zahlen am Ende jeder Legende sind die Selbstbeteiligungen. Erkennbar ist, dass Pauschalaussagen falsch sind und es auf den Einzelfall ankommt. Dank der altersbedingter Leistungsinanspruchnahme sind die Kopfschäden überall steigend. Die einst vereinbarte Selbstbeteiligung mag zum Antragszeitpunkt in Relation hoch gewesen sein, verliert aber wegen der Inflation jährlich an Höhe in Verhältnis zu den steigenden Prämien, was ein gesteigertes Konsumverhalten bedingt.

Unter der Berücksichtigung, dass der Sparanteil in der Prämie bei hoher Selbstbeteiligung kleiner ist und die Selbstbeteiligung nicht bei der Steuer angesetzt werden kann, ergibt es wenig Sinn eine hohe Selbstbeteiligung zu wählen.

SB-Problem 5.000€ Grenze

Beitragsanpassungen sind so sicher wie einst das Amen in der Kirche. In einer perfekten Welt würde durch einen Selbstbehalt ein Beitragsvorteil erzeugt. In dieser perfekten Welt würden die BAP auf den Beitrag und den SB angewandt werden. Bei einer beispielhaften Tarifwelt (Eintrittsalter 30 Jahre, 10% BAP alle drei Jahre) würde das so aussehen:

Jahr 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
Tarif A Tarifbeitrag 7.200 € 7.920 € 8.712 € 9.583 € 10.542 € 11.596 €
SB – € – € – € – € – € – €
SB-Ersparnis 0% 0% 0% 0% 0% 0%
Tarif B Tarifbeitrag 6.000 € 6.600 € 7.260 € 7.986 € 8.785 € 9.663 €
SB 1.200 € 1.320 € 1.452 € 1.597 € 1.757 € 1.933 €
SB-Ersparnis 17% 17% 17% 17% 17% 17%
Tarif C Tarifbeitrag 2.700 € 2.970 € 3.267 € 3.594 € 3.953 € 4.348 €
SB 4.500 € 4.950 € 5.445 € 5.990 € 6.588 € 7.247 €
SB-Ersparnis 63% 63% 63% 63% 63% 63%

Sie erkennen, dass bei Tarif eine SB von über 5.000€ rot gefärbt ist. Das liegt daran, dass 5.000€ das gesetzliche Maximum für die SB ist. Das PKVU darf gar nicht über 5.000€ anpassen. Damit ergibt sich der u. g. Verlauf.

Jahr 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
Tarif A Tarifbeitrag 7.200 € 7.920 € 8.712 € 9.583 € 10.542 € 11.596 €
SB – € – € – € – € – € – €
SB-Ersparnis 0% 0% 0% 0% 0% 0%
Tarif B Tarifbeitrag 6.000 € 6.600 € 7.260 € 7.986 € 8.785 € 9.663 €
SB 1.200 € 1.320 € 1.452 € 1.597 € 1.757 € 1.933 €
SB-Ersparnis 17% 17% 17% 17% 17% 17%
Tarif C Tarifbeitrag 2.700 € 2.970 € 3.762 € 4.633 € 5.592 € 6.646 €
SB 4.500 € 4.950 € 4.950 € 4.950 € 4.950 € 4.950 €
SB-Ersparnis 63% 63% 57% 52% 47% 43%

Sie erkennen, dass die Ersparnis durch die Selbstbeteiligung kontinuierlich fällt, weshalb ab erreichen der 5.000€ Grenze überdurchschnittliche BAP die Folge sind.

Verschärfend kommt hinzu, dass weniger Alterungsrückstellungen gebildet werden und im o. g. Beispiel Kosten und Verzinsung außer Acht gelassen wurden, die den Effekt noch verschärfen. Die 4.950€ liegen unter den 5.000€, weil in der Praxis noch kein PKVU wagemutig genug war einen Tarif mit maximal möglicher SB zu verkaufen bzw. via BAP zu erzwingen. Nachvollziehen können Sie diese Entwicklung anhand der alten Mannheimer Tarife, welche teils über 10.000€ SB hatten und danke der VVG-Reform unattraktiv für die Bestandskunden wurden.

Natürlich könnte bei den höheren Selbstbeteiligungen ein in Prozent höherer Anteil Alterungsrückstellungen eingepreist werden, aber damit würde die hohe Selbstbeteiligung aufgrund zu hohen Beitrags unattraktiv. Die anfängliche Ersparnis entfällt später aufgrund von Inflation, denn bei Überschreiten der SB-Schwelle tritt eine „all-you-can-Arzt“-Mentalität ein. Der Steuerungseffekt verpufft.[31] Auch deshalb, weil die meisten Behandlungen vom Arzt empfohlen werden, der ggü. dem Verbraucher eine Wissensasymmetrie aufweist. Die Wahrscheinlichkeit des Aufschiebens notwendiger Behandlungen ist gering. Das Überschreiten der SB-Schwelle forciert damit eher kosmetische sowie andere nicht zwingend notwendige Behandlungen, womit negative Effekte entstehen können.[32]

Es gibt eine Faustformel, die besagt, dass ein erhöhter Selbstbehalt ein steileres Profil hat und dass die Erhöhung eines Selbstbehalts (z. B. bei BAP oder Tarifwechsel) das Profil „versteilert“. Kurzum: Es gibt mathematische Beweise, dass ein erhöhter Selbstbehalt sich negativ auswirkt.[33]

Eine hohe Selbstbeteiligung während der Ansparphase wirkt sich nachteilig auf Ihre Beiträge aus.

Mythos Billigere Prämie bei anderen Vermittlern

Analog zu den vermeintlich kostenfreien Mehrleistungen, kann es in Deutschland für die substitutive KV keine günstigeren Prämien für den gleichen Tarif bei einem anderen Vermittler geben, da es gegen Gesetze verstößt. Honorar-Tarife existieren kaum. Möglich wäre dies wieder nur durch eigene Kollektive in eigenen Tarifen.

Dies führt dazu, dass deutsche Versicherungen im Ausland mit teils fragwürdigen Discount-Angeboten arbeiten, während sie dies in Deutschland nicht dürfen. So bietet die Allianz im Ausland einen lebenslangen Nachlass an, wenn man das Angebot nicht sofort unterzeichnet, sondern ein paar Tage liegen lässt, wie Sie aus dem beigefügten Screenshot entnehmen können. Derartige Angebote sind in Deutschland verboten.